Lorsque l’industrie alimentaire introduisit en 1996 les premières plantes génétiquement modifiées aux États-Unis, aucune voix ne s’était élevée pour critiquer cette action: ni de la part des adeptes de la technologie, ni de la part des autorités. L’industrie alimentaire a une influence considérable, notamment au niveau fédéral, déclare Patty Lovera de Food and Water Watch. Pourtant même aux USA, nation adepte du génie génétique, l’opposition croît de plus en plus, et cette puissante industrie se défend en utilisant tous les moyens. (Zeit Online, 17.02.2014)

 

Source: Zeit Online, 17.02.2014
http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-02/gentechnik-usa-kennzeichnung-lebensmittel

GENTECHNIK IN DEN USA

Die Gen-Nation

Kaum ein Lebensmittel in den USA ist frei von Gentechnik. Die Industrie scheint übermächtig, aber die Gegner formieren sich langsam – und dringen auf Änderungen. VON THORSTEN SCHRÖDER, NEW YORK

Chipotle legt nach: Die US-Fast-Food-Kette stellt mit Farmed and Dangerous ab Montag eine vierteilige TV-Serie ins Netz, die die Stimmung drehen soll. Die aufwendig produzierte Show setzt mit satirischem Blick zum Angriff auf die industrielle Lebensmittelproduktion an. Es ist nicht der erste Versuch, die Aufmerksamkeit auf die Mängel der Branche zu lenken. Schon der im Auftrag der Kette produzierte Kurzfilm Scarecrow sollte die Amerikaner im Oktober dazu bringen, "über Herkunft und Produktion ihrer Lebensmittel nachzudenken". Innerhalb eines Monats sahen den Film mehr als sieben Millionen Menschen.

Chipotle setzt für seine Burritos auf nachhaltige Landwirtschaft und war im März 2013 die erste Kette in den USA, die gentechnisch veränderte Zutaten aus ihren Produkten verbannte. Dem Geschäft hat das nicht geschadet. Der Gewinn stieg im abgelaufenen Quartal um satte 30 Prozent auf fast 80 Millionen Dollar. Doch so ehrgeizig Chipotle für eine Revolution im Agrar- und Lebensmittelgeschäft kämpft: Bislang ist das Unternehmen damit weitgehend allein.

Seit 1996 sind genetisch veränderte Zutaten fester Bestandteil der US-Lebensmittelindustrie. 70 bis 80 Prozent aller heute verkauften Produkte enthalten Inhaltsstoffe, deren DNA verändert wurde. Als die großen Chemiekonzerne Monsanto und DuPont ihre genetisch veränderten Getreidesorten bewarben, habe es darüber kaum Diskussionen gegeben, erzählt Patty Lovera von der Organisation Food and Water Watch. "Die Umstellung passierte rasend schnell, niemand hat die Verbraucher wirklich gefragt, und die Firmen steckten viel Geld in die Werbung, um die Branche zu überzeugen."

Der Widerstand wächst

Dass es kaum Widerstand gab, habe auch kulturelle Gründe. Amerikaner hätten sich anders als etwa die Europäer über Jahrzehnte nur wenig dafür interessiert, was sie essen. "Wir haben einiges aufzuholen", sagt Lovera. Das Ruder jetzt herumzureißen, sei schwer. Heutzutage sei es für Landwirte nahezu unmöglich, überhaupt noch Mais oder Sojabohnen zu finden, die nicht auf irgendeine Art genetisch verändert worden seien.

Doch langsam wächst auch in der Gen-Nation USA der Widerstand. In inzwischen 26 Bundesstaaten haben Verbraucherschützer und Kritiker bis heute Gesetzesvorschläge eingebracht, die eine Kennzeichnung von Lebensmitteln vorschreiben, die gentechnisch veränderte Bestandteile beinhalten. "Wenn Sie die Konsumenten fragen, dann sind sie zunehmend besorgt und verlangen eine genauere Regulierung", sagt Lovera. Mehr als 90 Prozent aller Amerikaner befürworten die Kennzeichnung. Maine und Connecticut stimmten im vergangenen Jahr als erste Bundesstaaten für eine Kennzeichnungspflicht. Mit einer Einschränkung: Die neuen Bestimmungen treten nur in Kraft, wenn umliegende Staaten sich anschließen.

Industrie will keine Kennzeichnung

Die Zurückhaltung hat ihren Grund. Die mächtige Industrie wehrt sich mit allen Mitteln. Allein in Kalifornien und Washington investierte die Branche vor der Abstimmung 2012 fast 70 Millionen Dollar in Marketingkampagnen, um Stimmung gegen den Gesetzesvorschlag zu machen. Erst im Februar formte die mächtige Branchenallianz Grovery Manufacturers Association die "Coalition for Safe Affordable Food", um die vermeintlichen Vorteile der Gen-Produkte zu betonen. Gentechnisch veränderte Getreidesorten, so die Argumente, seien sicher, reduzierten die Ernteausfälle, machten die Keime widerstandsfähiger – und führten zu niedrigeren Preisen für die Endverbraucher. Die Seite GMOAnswers.com soll Fragen von besorgten Verbrauchern beantworten und Transparenz schaffen. Hinter der Webseite, die im Juni online ging, stehen Industrieriesen wie Monsanto und DuPont. 

Die Ziele der Konzerne und Lebensmittelproduzenten sind klar: Sie kämpfen gegen Gesetze in Einzelstaaten, drängen die US-Lebensmittelbehörde Food and Drug Administration, gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe als natürlich einzustufen und fordern, es bei den freiwilligen Kennzeichnungen "für interessierte Nischenverbraucher" zu belassen. Eine Kennzeichnung, sagt Karen Batra vom Industrieverband Biotechnology Industry Organization (BIO), sei irreführend und gebe den Verbrauchern das falsche Gefühl, es bestehe ein erhöhtes Risiko gegenüber anderen Lebensmitteln.

Die Lebensmittelindustrie habe vor allem auf Bundesebene enormen Einfluss, sagt Patty Lovera von Food and Water Watch. Deswegen drängten sie auf eine landesweite Regelung, statt den Kampf in einzelnen Bundesstaaten führen zu müssen. Das zeigt Wirkung: Das US-Landwirtschaftsministerium steht vor der Zulassung einer neuen Generation genetisch veränderten Saatguts von Dow Chemical, das gegen hochgiftige Pestizide resistent sein soll.

"Wir befinden uns mitten in einem Experiment"

Und ein Wahlversprechen Obamas von 2007, Gen-Produkte zu kennzeichnen, liegt seit seinem Amtsantritt auf Eis. Eine Handvoll von Unternehmen, sagt die Agrarexpertin Carolyn Dimitri von der New York University, mache mit den Produkten riesige Gewinne. "Für sie gibt es keinen Grund, das aufzugeben und Alternativen zu suchen."

Die Kritiker halten die Argumente der Branche deshalb für scheinheilig. "Wir befinden uns mitten in einem Experiment, was für Auswirkungen es hat, werden wir erst in vielen Jahren sehen", sagt Lovera. Aktivisten wie sie zitieren Studien, die belegen, dass der Verbrauch von Herbiziden seit dem Einsatz der Getreidesorten deutlich gestiegen ist, während die Ernteausfälle, anders als versprochen, nicht gesunken seien. "Das vermeintliche Wundermittel funktioniert offenbar nicht", sagt Lovera. Es werde Zeit, sich nach Alternativen umzusehen.

Und es tut sich etwas. Neben Chipotle hat nun auch Whole Foods reagiert. Die US-Bio-Supermarktkette will bis 2018 alle Lieferanten verpflichten, Produkte mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen mit einem Label ausstatten. "Solche Schritte zeigen, dass es für genfreie Produkte einen Markt gibt", so Lovera.