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(Bild: Peter Caton/ Greenpeace)

Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 96

Zukunftsmarkt Afrika—und die Zukunft der Kleinbäuerinnen?

Für die Agrochemiekonzerne ist Afrika der Wachstumsmarkt der Zukunft. Hier wollen sie die Landwirtschaft technisch aufrüsten, zum Beispiel mit Gentech-Pflanzen und Hybridsaatgut. Doch dieses Vorhaben gehe zu Lasten der Kleinbäuerinnen und -bauern, warnt Tina Goethe, Teamleiterin «Recht auf Nahrung» bei Brot für alle.

Text: Denise Battaglia

Afrika ist «Alphaland». Als Alpha bezeichnen Finanzanalysten Länder, in denen Investitionen grosse Renditen bringen sollen. Der afrikanische Kontinent gilt für Konzerne wie Syngenta, soeben von Chem-China übernommen, oder Monsanto, soeben von Bayer übernommen, als einer der letzten zu erobernden Wachstumsmärkte im Agrarbereich. Denn hier könnte man die ganze Landwirtschaft technisch aufrüsten. Zum Beispiel mit gentechnisch veränderten Pflanzen, mit Hybridsaatgut, mit konzerneigenen Pestiziden oder Düngemitteln und mit Hightech- Maschinen. Vor vier Jahren gab Syngenta bekannt, 500 Millionen Dollar in das afrikanische Geschäft zu investieren, bis in fünf Jahren will der chinesisch-schweizerische Konzern eine Milliarde Umsatz in Afrika erreichen. Syngenta kaufte dann erst mal zwei afrikanische Firmen, die Saatgut von weissem Mais produzieren. Damit sichere man sich einen der umfangreichsten Maisgenpools des Kontinents, schrieb der Konzern in seiner Pressemitteilung. Damit sicherte sich der Konzern vor allem ein Grundnahrungsmittel vieler afrikanischer Staaten.

Entwicklungshilfe mit Agrochemiekonzernen

Fokus 96 Markt
(Bild: Kristian Buus/ Greenpeace)

Auch der US-amerikanische Agrochemiekonzern Monsanto, der zum Beispiel Gentech-Baumwolle züchtet, umgarnt Afrika. Monsanto versuche mit der Bill & Melinda-Gates-Stiftung Einfluss auf Entwicklungsprogramme zu nehmen: So propagiere der Konzern den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und versuche die Gesetzgebung so zu beeinflussen, dass sie dem Absatz seiner Produkte diene, schrieb der Gen-ethische Informationsdienst (GiD) in seinem Magazin. Auch Organisationen wie die von Bill und Melinda Gates gegründete Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) oder die Neue Allianz für Ernährungssicherheit in Afrika (kurz: Neue Allianz) sehen in Hightech-Pflanzen und Hightech-Dünger die Lösung für den Hunger in Afrika. Die Neue Allianz will bis ins Jahr 2020 – also in zweieinhalb Jahren – 50 Millionen Menschen aus Armut und Hunger befreit haben. «Diese Entwicklung ist gefährlich», sagt Tina Goethe, Teamleiterin «Recht auf Nahrung» bei Brot für alle (siehe Interview). «Sie bedrohen die traditionellen Systeme, die Vielfalt und die bäuerliche Unabhängigkeit.»

Kleinbäuerliche Landwirtschaft und lokaler Saatgutaustausch

In weiten Teilen Afrikas dominiert die kleinbäuerliche Landwirtschaft die Lebensmittelproduktion. Bis zu 80 Prozent des Lebensmittelbedarfs werden in manchen Staaten von lokalen Kleinproduzentinnen gedeckt, das lokale Saatgut tauschen die Bäuerinnen – in Afrika sind oft hauptsächlich die Frauen für das Saatgut und viele Arbeiten in der Landwirtschaft zuständig – meist auf dem Markt. Gerade diese traditionellen Saatgutsysteme versuchen die Konzerne mittels Lobbyarbeiten über drei Wege zu unterbinden:

- Sie machen bei den staatlichen Entscheidungsträgern Druck, die Gesetze zu Saatguthandel und Saatgutzulassung so zu verschärfen, dass nur noch zertifiziertes Saatgut zugelassen wird. Mit negativen Folgen für die Bäuerinnen und Bauern und die lokale Vielfalt: Der Grossteil des regionalen, von den Bäuerinnen vermehrten Saatguts kann unter diesen Gesetzen nicht mehr gehandelt werden.

- Die Konzerne und Organisationen versuchen in Afrika Sortenschutzgesetze nach westlichem Modell einzuführen. Diese verbieten den Bäuerinnen und Bauern, Saatgut zu behalten, zu vermehren, zu tauschen und zu verkaufen. Sie würden gezwungen, ihr Saatgut jedes Jahr bei den Saatgutfirmen zu kaufen. Dies widerspricht den traditionellen Rechten der Bauern.

- Die Konzerne sichern sich Zugang zu genetischen Ressourcen, indem sie afrikanische Saatgutfirmen aufkaufen oder sich über Beteiligungen an staatlichen Forschungsprojekten Zugang zum genetischen Pool afrikanischer Obst-, Gemüse- und Getreidesorten verschaffen.

Bisher wenig Gentech-Pflanzen in Afrika

Fokus 96 Bauer
Anstatt der teuren Gentechnik sollten Methoden zur biologischen Schädlingsbekämpfung gefördert werden, wie zum Beispiel die Push-pull-Technologie. Dort wird eine Kombination verschiedener Pflanzen verwendet, solche mit abstossender und andere mit anziehender Wirkung, um die Insekten von den Nutzpflanzen zu vertreiben (push) bzw. wegzulocken (pull). (Bild: Peter Caton/ Greenpeace)

Obwohl Monsanto und die Bill & Melinda-Gates-Stiftung seit Jahren gentechnisch veränderte Pflanzen gegen den Hunger propagieren, bauen auf dem afrikanischen Kontinent erst drei Länder Gentech-Pflanzen kommerziell an: Südafrika, der Sudan und Burkina Faso. Südafrika ist das einzige Land, das ein Grundnahrungsmittel gentechnisch verändert anbaut: einen Mais. Die anderen beiden Länder bauen Gentech-Baumwolle an, wobei Burkina Faso wegen der schlechten Baumwollqualität den Anbau von Gentech-Baumwolle vorerst gestoppt hat. Nigeria hat ebenfalls eine gentechnisch veränderte Monsanto-Baumwollsorte für den kommerziellen Anbau zugelassen, das Saatgut ist aber bislang nicht auf dem Markt. Derzeit geben Monsanto und die Bill & Melinda-Gates-Stiftung in einem grossen Projekt den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern «trockentoleranten Mais für Afrika» (Water Efficient Maize for Africa, kurz WEMA) ab. Dabei handelt es sich um konventionelle Hybridsorten oder um gentechnisch veränderte Sorten. Das Projekt sei bereits in Südafrika, Kenia, Uganda, Tansania und Mosambik eingeführt, schreibt der GiD. Im Zusammenhang mit diesem Projekt haben Regierungen gesetzliche Regelungen gelockert, zum Beispiel die Haftungsrechte. Dabei ist das Monsanto Tribunal im Frühling zum Urteil gelangt, dass Monsanto mehrere Menschenrechte verletzt. Besonders negativ werten die Richter den Anbau herbizidtoleranter gentechnisch veränderter Pflanzen. Grund: Sie wirkten sich nachteilig auf Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit aus und reduzierten die Auswahl des auf dem Markt erhältlichen Saatguts. Man könne all diese von westlichen Interessen geleiteten Aktionen auch einfach «modernen Kolonialismus» nennen, bringt es Tina Goethe auf den Punkt.


Moderner Kolonialismus -
im Gespräch mit Tina Goethe

Fokus 96 Saatgut
Neue Sortenschutzgesetze nach westlichem Modell verbieten den Bäuerinnen und Bauern, Saatgut zu behalten, zu vermehren, zu tauschen und damit zu züchten. Die Regulierungen schützen die Agrochemie, bedrohen aber die lokale Sorten- und Artenvielfalt und die Selbstbestimmung der Bäuerinnen und Bauern. (Bild: Cheryl-Samantha Owen/ Greenpeace)

Frau Goethe, die westlichen Agrarkonzerne haben Afrika als Wachstumsmarkt entdeckt. Dies bereitet Ihnen Sorgen. Warum?
Ein Grossteil der afrikanischen Landwirtschaft basiert auf lokalen Strukturen und Saatgutsystemen. Die Landwirtschaft ist sehr vielfältig. Die Bäuerinnen züchten, vermehren, kontrollieren und tauschen eigenes Saatgut. Wenn nun die Agrochemie kommt, bedroht dies die grosse Vielfalt und die Selbstbestimmung der Bäuerinnen und Bauern. Schon jetzt versuchen die Konzerne zum Teil gemeinsam mit westlichen Organisationen den vielfältigen Saatgutmarkt in ein kommerzielles, einheitliches Saatgutsystem zu transformieren. Das zerstört bestehende Systeme.

Wer spürt diesen Druck am meisten?
Alle. Auf nationaler Ebene lobbyieren Agrokonzerne, auf regionaler Ebene versuchen sie gemeinsam mit internationalen Institutionen wie zum Beispiel der Weltbank Gesetze zu harmonisieren. In Malawi, Kenia oder Tansania spüren Politik und Bauern den Druck, endlich gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen. Hier macht man schon länger Gentech-Versuche und nun versucht man, die Gesetze dafür aufzuweichen. Tansania kennt eigentlich wie Europa das Vorsorgeprinzip. Dieses wird nun sukzessive durchlöchert. Auch in Kenia wird versucht, Gesetze so zu verändern, dass nur noch Saatgut bewilligt wird, welches gewisse Kriterien erfüllt – diese haben die westlichen Saatgutkonzerne bestimmt. Bäuerliches Saatgut erfüllt diese Kriterien nicht. Damit würde man einen wichtigen Teil der Sorten und damit eine grosse genetische Breite ausschliessen. Man versucht, das europäische Modell in Afrika zu implementieren, aber man kann doch nicht hingehen und das ganze afrikanische Saatgutsystem in ein westliches Landwirtschaftsmodell zwängen!

Welches Vorgehen wäre besser? – In Afrika leiden viele Menschen Hunger.
Die grösste Chance, den Hunger zu reduzieren, bestünde darin, die traditionellen Systeme zu unterstützen, statt sie zu beseitigen, gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern die Qualität und die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern, Bewässerungslösungen zu suchen sowie fehlende Infrastrukturen wie Lagerhallen zu errichten und Transportmöglichkeiten zu schaffen. Ohne diese Infrastruktur kann man die kostbaren Lebensmittel nicht lagern und verteilen. All diese Massnahmen würden die Bäuerinnen und Bauern stärken und nicht schwächen, würden ihnen die Selbstbestimmung lassen und nicht nehmen.

Für die afrikanischen Bauern sind Hightech-Sorten aber verlockend.
Natürlich sind sie verlockend, die Konzerne aus dem Westen versprechen ihnen ja auch massiv höhere Erträge, weniger Arbeit und eine moderne Landwirtschaft, die mit der westlichen Landwirtschaft mithalten kann. Das ist attraktiv, denn die Afrikaner hören aus dem Westen seit Jahrzehnten, sie seien rückständig, müssten sich entwickeln, produktiver werden, ihre Produkte qualitativ verbessern etc. Ich war gerade in Westafrika. Eine Saatgutproduzentin aus Niger, die auf 500 Hektaren Land Saatgut produziert, erzählte mir, dass sie vor drei Jahren erstmals Hybridsaatgut säte. Im ersten Jahr habe sie phantastische Erträge erzielt, im Folgejahr sei der Ertrag drastisch zurückgegangen. Sie sei auf mehreren Tonnen dieses Hybridsaatguts sitzengeblieben, konnte es nicht verkaufen, weil es nicht keimte. Die Hightech-Sorten sind nicht an die lokalen Gegebenheiten wie Hitze, Wassermangel, Trockenheit, den afrikanischen Boden angepasst.

Trotz grosser Investitionen boomen Gentech-Pflanzen in Afrika noch nicht.
Ja, der Widerstand ist gross. Ich befürchte aber, dass man versucht, die Gentechnik durch die Hintertür einzuführen, über aufgeweichte Regulierungen zum Beispiel.

Was können wir in der Schweiz gegen den «modernen Kolonialismus» tun?
Wir sollten vor allem laut und deutlich Nein zur Gentechnik und laut und deutlich Ja zu einer ökologischen, vielfältigen Landwirtschaft sagen. Die SAG engagiert sich seit Jahren dafür. Wenn die Schweiz gentechfrei bleibt, dann nützt das auch den Bäuerinnen in afrikanischen Ländern. Wenn ich ihnen nämlich erzähle, dass die Schweizer Konsumenten und Bauern keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen und essen wollen, obwohl Syngenta in der Schweiz sitzt, dann sind sie immer beeindruckt. Wenn dann mal ein Syngenta-Vertreter kommt und ihnen sagt, sie seien rückständig, weil sie keine Gentech-Pflanzen anbauen, dann können die Bäuerinnen zurückfragen: «Halten Sie die Schweiz für rückständig, die Schweizer Bauern für dumm?»

Fokus 96 TinaGoethe
Tina Goethe ist Teamleiterin des Bereiches «Recht auf Nahrung» bei der Entwicklungsorganisation Brot für alle.