240501PatentFehlende Pflanzenvielfalt, biologisch schlechten Böden bei Monokulturen und Pestizideinsatz: ein perfektes Umfeld für Schädlingsbefall. Bild: Shutterstock

Einseitige chemische und biotechnologische Massnahmen zur Schädlingsbekämpfung verursachen hohe ökologische, wirtschaftliche und soziale Kosten. Es sei daher dringend erforderlich, zu einem ganzheitlichen Ansatz überzugehen, der die Gestaltung und das Management von Agrarökosystemen in den Vordergrund stellt, fordern Forschende der Abteilung für Umweltwissenschaft der kalifornischen Berkeley Universität und der Fakultät für Agrar- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bologna. Dieser Ansatz sei zwar sehr wissensintensiv, denn es gelte den Schwerpunkt auf die Frage zu legen, was Agrarökosysteme anfällig und verwundbar für Schadinsekten, Krankheitserreger und Unkräuter macht. Daraus abgeleitet könnten aber diversifizierte Agrarökosysteme geschaffen werden, die Probleme mit Schadinsekten, Krankheitserregern und Unkräutern verhindern und unterdrücken, wie sie in einem Artikel in der Fachzeitschrift npj Sustainable Agriculture ausführen.

Rückbesinnung auf Grundidee des integrierten Pflanzenschutzes

Die Forschenden kritisieren, dass die Programme des integrierten Pflanzenschutzes (IPM), die in den frühen 1970er Jahren als Reaktion auf die Besorgnis über die Auswirkungen von Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt entstanden ist, heute zu sehr auf Schädlingsbekämpfung fokussieren – mit einseitigen Eingriffen auf der Grundlage von Agrochemikalien, Pheromonen und transgenen Pflanzen. Somit sei die Grundidee des IPM vernachlässigt, landwirtschaftliche Systeme so zu gestalten, dass sie weniger anfällig für Schädlingsausbrüche sind.

Laut älterer Modelle müssen für die Entstehung einer Krankheit ein anfälliger Wirt, ein virulenter Erreger und ein günstiges Umfeld gleichzeitig vorhanden sein. Die fehlende Pflanzenvielfalt und die biologisch schlechten Böden bei Monokulturen sowie der Einsatz von Pestiziden schaffen ein perfektes Umfeld für Schädlingsbefall. Daher muss dringend ein neues Modell für die Pflanzengesundheit entwickelt werden, folgern die Autoren des Artikels. Das neue Modell muss auf Agrarökosysteme anwendbar sein, die eine grössere Artenvielfalt aufweisen und mit geringer chemischer Belastung bewirtschaftet werden. Denn in solchen diversifizierten Anbausystemen sei der allgemeine Pflanzenschutz eine natürliche Folge der wechselseitigen Beziehungen zwischen Pflanzen, Insekten und mikrobiellen Bodengemeinschaften über und unter der Erde. Dies belegen sie mit verschiedenen wissenschaftlichen Studien.

Die Wahl der richtigen Pflanzengemeinschaften

Unterschiedliche Pflanzen stossen verschiedene Organismen ab oder ziehen diese an. Dies kann durch die Blüten, den Duft, oder Stoffe geschehen, welche die Pflanzen über ihre Wurzelsysteme ausscheiden. Monokulturen auf grossen Flächen ziehen bestimmte Schädlinge und Krankheiten an und die grossen Anbauflächen begünstigen deren Ausbreitung. Da solche Schädlinge oft auf eine bestimmte Gattung spezialisiert sind, ist diese in der Monokultur auf sich allein gestellt wehrlos gegen den Befall.

Die richtigen Nachbarn könnten sich hingegen gegenseitig unterstützen. Mit der Wahl der passenden Pflanzengemeinschaften lassen sich gezielt Nützlinge anlocken, die sich als Fressfeinde um den Schädlingsbefall kümmern. Unterirdische Schädlinge, oder Krankheiten können durch die Wurzelsysteme gewisser Pflanzen abgetötet oder vertrieben werden.

Agrarökologische Ansätze für die Pflanzengesundheit gehen davon aus, dass die Ursache und das Auftreten eines Schädlings oder einer Krankheit auf einem Ungleichgewicht beruhen. Das Ziel von Behandlungen sollte folglich darin bestehen, das Gleichgewicht und die Widerstandsfähigkeit des Agrarökosystems wiederherzustellen. Der Schwerpunkt dieses Ansatzes muss daher auf der Bekämpfung der Ursachen von Schädlings- und Krankheitsausbrüchen liegen und nicht auf der Behandlung von Symptomen – Unterdrückung von Schädlingen und Krankheiten.

Kaum erforschte Synergien zwischen Pflanzenvielfalt und mikrobieller Bodengemeinschaft

Schädlingsresistente Agrarökosysteme können durch eine Umstrukturierung und Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Systeme erreicht werden, die das Spektrum der in jedem Ökosystem vorhandenen Präventivmechanismen maximieren und die wichtigsten Regulierungssysteme wiederherstellen. So etwa die Funktionen des Immunsystems (biologische Schädlingsregulierungsmechanismen) und des Stoffwechsels (biologische Bodenaktivität, Dynamik der organischen Substanz und ernährungsphysiologisch ausgewogene Pflanzen). Diese Präventivstrategie stütze sich auf kaum erforschte Synergien zwischen der Pflanzenvielfalt und der mikrobiellen Bodengemeinschaft. Solche Synergien werden durch polykulturelle Muster und die Zugabe von organischer Substanz in Gang gesetzt – Schlüsselpraktiken bei der Gestaltung von schädlingsresistenten und gesunden Agrarökosystemen, schreibt die Forschergruppe.

Die Wirksamkeit insektenresistenter gentechnisch veränderter Bt-Pflanzen werde wegen der möglichen Resistenzentwicklung von Schädlingspopulationen hingegen in Frage gestellt. Darüber hinaus haben viele Studien gezeigt, dass die Einführung von GVO-Pflanzen nicht zu der gewünschten Verringerung des Pestizideinsatzes geführt hat und somit keine wesentlichen Vorteile für die Umwelt mit sich gebracht haben.

Art der Düngung hat Einfluss auf den Schädlingsbefall

Auch eine Überdüngung kann Schädlingsprobleme verschlimmern, da ein erhöhter Gehalt an löslichem Stickstoff in den Pflanzen deren Widerstandskraft gegen Schädlinge verringern kann. Studien zeigen, dass der Stickstoffgehalt von Pflanzen, die in ökologischen Betrieben angebaut werden, oft niedriger ist als in konventionellen Systemen. Dies deutet darauf hin, dass der geringere Stickstoffgehalt der Blätter ein Schlüsselfaktor für geringere Insektenschäden bei Pflanzen sein könnte, die mit ökologischen Ergänzungsmitteln gedüngt wurden.

Andererseits führe ein geringer Gehalt an organischer Substanz im Boden zu schwachen mikrobiellen Gemeinschaften und zu geringen Populationen von Mykorrhizapilzen und Antagonisten, die eine unterdrückende Wirkung auf viele im Boden lebende Krankheitserreger ausüben. Hinzu kommt, dass eine mangelnde Vielfalt der Pflanzen die Wurzelkomplexität reduziert und damit zu einer geringeren Produktion von pflanzenfreundlichen Mikroben führt.

Solche agrarökologischen Ansätze für die Pflanzengesundheit seien definitiv wissensintensiv und erfordern tiefgreifende, kontextspezifische Einblicke in das jeweilige Agrarökosystem, einschliesslich der Bodenökologie, der Biologie der Zielpathogene und Herbivoren und ihrer Antagonisten sowie der Auswirkungen der Vegetation und der Bodenbewirtschaftung auf die ökologischen Prozesse auf Betriebs- und Landschaftsebene. Doch langfristig sei dies der zielführendste Weg, folgern die Forschenden.