homepageclipdealer A9660698 photo jpg s     GV-Flachs verunreinigt die gentechnikfreie Produktion in Kanada

Einmal in die Umwelt freigesetzt, sind gentechnisch veränderte Organismen (GVO) kaum aufzuhalten oder zu kontrollieren. Ungewollte Verunreinigungen von GVO-freien Betrieben können praktisch nicht verhindert werden. Zu diesem Fazit kommt ein Bericht des Canadian Biotechnology Action Network (CBAN), eine kanadische Nichtregierungsorganisation, die der Gentechnologie kritisch gegenübersteht. In Kanada werden GVOs seit fast zweieinhalb Jahrzehnten kommerzialisiert. Der neu veröffentlichte Bericht fasst das erste Mal alle GV-Ausbreitungs- und Kontaminationsfälle in Kanada zusammen. Er zeigt, dass in dieser Zeit zahlreiche gentechnisch modifizierte Organismen, u.a. Raps, Flachs, Weizen und sogar Schweine, versehentlich in die konventionelle und ökologische Produktion gelangt sind.

Dabei handelte es sich nicht nur um isolierte Vorfälle. Sowohl von der kanadischen Regierung zugelassene (Raps und Flachs) als auch nicht genehmigte experimentelle GVOs (Weizen und Schweine) sorgten für Kontaminationsprobleme. Die schwerwiegenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen der unerwünschten Verbreitung von GV-Organismen und -Merkmalen trafen vor allem die Landwirte besonders hart. Zu diesen negativen Folgen zählen unter anderem der vorübergehende oder dauerhafte Verlust von Exportmärkten und Nachbausaatgut sowie niedrigere Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Angesichts dieser Risiken ist der föderalitische GVO-Überprüfungsprozess mangelhaft. Denn weder das volle Risiko einer Kontamination, noch deren potenziellen negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen werden bewertet.

Dass solche Risiken durchaus eine Bedrohung für die Bauern darstellen, veranschaulicht der Bericht anhand konkreter Beispiele aus Kanada. So hat die weit verbreitete und unvermeidbare Verunreinigung der Kulturen mit GV-Raps dazu geführt, dass die meisten Biobauern kein Raps mehr anbauen konnten. Auch die Vermarktung von GVO-Alfalfa stellt eine unmittelbare Kontaminationsgefahr für ökologische Anbausysteme und andere gentechfreie landwirtschaftliche Betriebe dar. Ähnliche Fälle von bedeutenden GVO-Verunreinigungen in den USA und Mexiko bestätigen, dass solche Ereignisse keine Einzelfälle sind. So wurden gentechnikfreie Kulturen in den Vereinigten Staaten durch den GVO-Mais „Starlink“ und den GVO-Reis „Liberty Link“ kontaminiert. Die Pollen eines, aus Freisetzungsversuchen stammenden, herbizidtoleranten transgenen Straussgrasses wurden weit über die Versuchsfläche hinaus verfrachtet. Dies führte dazu, dass die GV-Variante sich in mehreren US-Bundesstaaten unkontrolliert ausbreitete, wo sie sich mit wilden Verwandten kreuzt. Dass gentechnisch hinzugefügte Fremdgene eine Gefahr für die biologische Vielfalt darstellen, wird am Beispiel von Mexiko, dem Ursprungsland des Mais aufgezeigt: auch das Genzentrum des Maises blieb nicht von Gentech-Kontaminationen verschont.

Laut dem Bericht besteht die Gefahr einer langfristigen Ausbreitung in natürliche Populationen auch bei zahlreichen anderen GVOs in der Entwicklungsphase. So könnten gentechnisch veränderte Waldbäume oder GV-Lachse schwere Umweltschäden verursachen. Darüber hinaus gibt es eine neue Generation GVOs, wie Gene-Drive-Mücken, die speziell für die Freisetzung in die Wildnis konzipiert wurden und gezielt mit wildlebenden Populationen gekreuzt werden sollen. Menschliche Fehler, biologische Ereignisse, Bestäuberinsekten, Windbewegungen und extreme Wetterlagen sowie viele andere Faktoren werden immer dazu führen, dass eine Kontamination mit GVOs nie vollständig ausgeschlossen werden kann. Die im Bericht erörterten, vielfältigen Vorfälle der unkontrollierten Ausbreitung in Kanada zeigen, dass es eine grosse Diskrepanz zwischen der politischen Förderung gentechnisch veränderter Organismen und dem weitgehenden Fehlen der Risikoerforschung und -vorbeugung besteht. Das CBAN fordert die Regierung auf, möglichst rasch geeignete Einschliessungs- und Abgrenzungsmassnahmen für die besonders ausbreitungsfähigen GVOs festzulegen. Anträge auf Inverkehrbringung und Freisetzung solcher GV-Organismen sollen insbesondere dann nicht bewilligt werden, wenn die Rückholbarkeit der Organismen nicht gewährleistet ist. Dies ist die einzige Möglichkeit, eine Kontamination zu verhindern. Denn bei einigen dieser GVOs ist die Wahrscheinlichkeit der Ausbreitung zu gross oder die Folgen der Verbreitung könnten zu schwerwiegend sein. Die Erfahrungen aus Kanada sollten weltweit berücksichtigt werden, um daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, bevor weitere gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere freigesetzt werden.