forcing the farmm Bild: Bericht "Forcing the farm"

Die Biodiversitätskonvention, das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD=Convention on Biological Diversity) ist mit seinen derzeit mehr als 190 Vertragsparteien das umfassendste verbindliche internationale Abkommen im Bereich Naturschutz und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Im ägyptischen Sharm-El-Sheik findet vom 17. bis 29. November die 14. Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens statt. Zur Diskussionen stehen auch Gene Drives und ihre Anwendungen in der Landwirtschaft. Eine Koalition von Organisationen, ins Leben gerufen von der ETC-Group und der Heinrich Böll Stiftung, verlangt ein weltweites Moratorium auf jegliche Anwendungen von Gene Drives. Auch die Schweizer Allianz Gentechfrei hat die Moratoriumsforderung unterzeichnet.

„Forcing the Farm“, der jüngste Bericht zu Gene Drives der ETC-Group, einer internationalen Organisation, welche sozioökonomische und ökologische Fragen im Zusammenhang mit neuen Technologien untersucht, setzt sich kritisch mit der Anwendung dieser Technologie auseinander. Sie verweist auf die vielen mit Gene Drives verbundenen Risiken und mögliche Missbräuche. Die Autoren des Berichts fordern nicht nur ein Verbot aller Freisetzungen von Gene Drives sondern empfehlen auch, alle Forschungsvorhaben vorerst auszusetzen. Zuerst brauche es eine breite gesellschaftliche Debatte über diese Technik und klare Regelungen, wie damit umzugehen sei.

Die Gene Drive Technologie schaltet die normalen Regeln der genetischen Vererbung aus und sorgt dafür, dass ein bestimmtes Merkmal, sich auf alle kommenden Generationen verbreitet und so die Zukunft einer gesamten Spezies verändern kann. Mit der Entdeckung der Genschere Crispr/Cas9 wurde die Entwicklung von Gene Drives im Labor ohne grossen Aufwand möglich. Die Freisetzung einiger weniger Pflanzen oder Tiere mit künstlich erzeugtem Gene Drive reicht aus, um eine Kettenreaktion auszulösen, an deren Ende alle Mitglieder einer Population die Eigenschaft aus diesem Gene Drive im Erbgut tragen. Mit der potenten Technik könnten Forschende steuern, was schlussendlich mit der veränderten Population passiert. Sie können Gene Drives so konstruieren, dass eine Population ausgelöscht wird, oder dass die Population gerade dank einer mit Gene Drive eingeführten neuen Eigenschaft überlebt.

Gene Drives sind per Definition invasiv und unwiderruflich. Ist der Organismus mit dem eingebauten Gene Drive einmal freigesetzt, ist es beinahe unmöglich dessen Einflüsse auf das Ökosystem zu kontrollieren oder rückgängig zu machen. Sie können auf Wildarten übertragen werden und stellen eine erhebliche Gefahr für die Biodiversität dar.

Geht es um die Anwendung von Gene Drives, werden stets die Anwendungen im Kampf gegen Insekten hervorgehoben, die Krankheiten auf den Menschen übertragen - Mücken (Aedes aegypti), die Dengue- und Chikungunyaviren übertragen oder Moskitos (Anopheles gambiae), die Malaria übertragen. Die wirklichen Vorteile dieser Technologie liegen aber in den vielen agroindustriellen Anwendungen. Wissenschaftler wollen auch Fruchtfliegen, Heuschrecken, pflanzensaugende Käferarten und andere Schädlinge mit Gene Drives ausstatten und damit wildlebende Populationen bekämpfen. Bereits wurden auch Patente angemeldet, um mit Gene Drives glyphosatresistente Superunkräuter so zu modifizieren, dass sie wieder mit Herbiziden bekämpft werden könnten.  Auch Ratten und Mäuse sind bereits Forschungsobjekte für Gene Drives, ebenso Schweine. Diese Beispiele zeigen, dass die Anwendung von Gene Drives in der Landwirtschaft den Agrarmultis ein neues, äusserst lukratives Geschäftsfeld eröffnen würde.

Der Bericht zeigt auf, dass auch Schädlinge eine wichtige Rolle in Ökosystemen spielen und ihre Auslöschung unvorhersehbare Folgen für das ganze System haben kann. Die mit dem Gene Drive freigesetzten gentechnischen Veränderungen könnten zu unerwarteten Nebeneffekten führen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Deshalb fordern die Autoren des Berichts nicht nur ein Verbot aller Freisetzungen von Gene Drives, sondern empfehlen auch, alle Forschungen vorerst auszusetzen. Zuerst brauche es eine breite gesellschaftliche Debatte über diese Technik und klare Regelungen, wie damit umzugehen sei.

Die Idee dieser Art der Schädlingsbekämpfung ist nicht neu. Austin Burt, einer der Pioniere dieser Technologie, hatte bereits 2003 die Idee „egoistische genetische Elemente“ zu nutzen, um "natürliche Populationen zu manipulieren" und "bestimmte Arten genetisch zu eliminieren oder zu verändern". Solche Elemente sollten sich in Arten, die sich geschlechtlich fortpflanzen, rasch durchsetzen, selbst wenn sie für das Individuum von Nachteil sind. Seine Vision scheint nun Realität zu werden.

Das Fehlen der landwirtschaftlichen Anwendungen in den bisherigen Diskussionen über Gene Drives ist kein Zufall. Die agroindustrielle Lobby ist sich der starken globalen Opposition gegen die Gentechnik im Lebensmittel- und Agrarsektor bewusst. Aus diesem Grund versucht sie eine grössere öffentliche Akzeptanz zu erreichen, indem sie nur Aspekte, die für die öffentliche Gesundheit relevant sind, darstellt.

Gene Drive hält aber diese Versprechen in Bezug auf die öffentliche Gesundheit nicht ein. Laut einem Bericht von GeneWatch UK zeigen (SAG Magazin 101) die jüngsten Studien zur Beseitigung der Aedes aegypti-Mücken auf den Kaimaninseln gravierende Mängel. Die Technologie ist sehr teuer und erreicht ihre Zielsetzungen nicht. Nur 62% der Moskitos werden eliminiert, eine Rate, die nicht ausreicht, um die Übertragung von Krankheiten zu stoppen. Das Ergebnis dieser Tests ist daher eine sinnlose Freisetzung gentechnischer Veränderungen in die Umwelt. Darüber hinaus führt der Rückgang der Zahl der Aedes aegypti-Mücken zu einem Anstieg der Zahl der Aedes albopictus-Mücken, welche die gleichen Krankheiten übertragen. Die Risikobewertung der Freisetzung solcher Gene Drives in die Umwelt wurde nur auf einem Computer modelliert und ihre Auswirkungen auf die Umwelt waren während der Freisetzungen nicht Gegenstand spezifischer Studien. Das Vorsorgeprinzip wurde daher nicht eingehalten, womit die in der Nähe der Verbreitungsgebiete lebenden Menschen gefährdet sind.

Dieses Beispiel bestätigt, dass Gene Drives zur unkontrollierten Verbreitung synthetischer Gene in einer Wildart beitragen und zu genetischer Verschmutzung führen. Derartige Freisetzungen können kaum kontrolliert werden und sind nicht rückholbar. Der Bericht zeigt, dass auch Schädlinge eine wichtige Rolle in Ökosystemen spielen und ihre Auslöschung unvorhersehbare Folgen für das System haben kann. Grossflächig in der Landwirtschaft angewendet, hat Gene Drive das Potenzial, Nahrungsnetze aus dem Gleichgewicht zu bringen, die Biodiversität deutlich zu reduzieren und Nutzorganismen wie Bestäuber auszumerzen.