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Zu den Freisetzungsversuchen mit Weizen, Kartoffeln und Äpfeln kommt einer mit Winterweizen hinzu.

Die Schweizer Bevölkerung hat sich in der Univox Umfrage Umwelt von 2015 deutlich gegen Gentechnikpflanzen ausgesprochen. Fast drei Viertel der Befragten nehmen Gentechnik in der Lebensmittelherstellung als Gefahr wahr. Trotzdem wird auf der Protected Site im zürcherischen Reckenholz intensiv mit Gentechpflanzen experimentiert. Zu den Versuchen mit Weizen, Kartoffeln und Äpfeln kommt einer mit Winterweizen hinzu. Entwickelt wurde der Weizen vom deutschen Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK). Nun wird er nach Versuchen im Gewächshaus der IPK während der nächsten 6 Jahre bei Agroscope im Freiland getestet. In Deutschland gibt es seit 2013 keinen einzigen Freisetzungsversuch mehr, in der gesamten EU wurden 2016 lediglich sieben neue Versuche gemeldet, da gentechnisch veränderte Pflanzen polarisieren und ihr Marktpotential als gering eingeschätzt wird. Anders in der Schweiz, sie stellt den Forschenden die mit öffentlichen Geldern finanzierte Protected Site zur Verfügung. Agroscope macht geltend, dass beim Weizen eine jährliche Steigerung des Ertrages um etwa 1,4 Prozent nötig sei, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Diese Ertragssteigerung soll durch eine Modifikation des Stoffwechsels des Weizens erreicht werden. Im Labor wurde ihm ein Gen der Gerste eingefügt. Die Fokussierung auf Ertragssteigerung erscheint fraglich. Das World Food Programme WFP bezeichnet Armut, Klima, Krieg, Nahrungsmittelverschwendung und fehlende Investitionen in Infrastrukturen als Hauptursachen für Hunger, nicht das Ertragsniveau. Und gemäss Weltagrarbericht dienen weltweit nur 43 Prozent des Getreides als Lebensmittel. Der Rest wird zu Tierfutter, Sprit und Industrierohstoffen verarbeitet.

Bislang gibt es weltweit keine kommerzialisierte gentechnisch veränderte Weizensorte. Das Weizen-Genom ist rund 35-mal grösser als das von Reis und die Manipulation an dessen Erbgut höchst komplex und unvorhersehbare Effekte können daher nicht ausgeschlossen werden. Fremdproteine haben immer auch ein allergenes Potential. Allergien entstehen aber erst im Laufe mehrerer Jahre. Prüfmethoden, um eine allergene Wirkung mit Sicherheit auszuschliessen, sind nicht verfügbar. Weizen gehört zu den Grundnahrungsmitteln. Gentechnische Veränderungen finden daher bei der Bevölkerung wenig Sympathie, sei es in Europa, Asien oder Nordamerika. Versuche, GV-Weizen in den USA und Kanada zu kommerzialisieren, wurden von den Agrarkonzernen aufgrund der schlechten Vermarktungsperspektiven bereits 2004 fallen gelassen.

Weizenkörner bleiben im Boden während Jahren keimfähig. Die Gefahr ist gross, dass es zu Transgen-Übertragungen durch Pollen oder Samen kommen kann. In den USA wurde 2013 verwilderter gentechnisch veränderter Weizen aus einem über zwölf Jahre zurückliegenden Freisetzungsversuch entdeckt. Studien aus Kanada vergleichen das Auskreuzungspotential von Weizen mit Raps. Ein kommerzieller Anbau von gentechnisch verändertem Weizen wird in Frage gestellt, da wie beim Raps eine Koexistenz nicht praktikabel erscheint. Dies trifft besonders auf die Schweiz zu mit ihrer kleinräumig strukturierten Landwirtschaft.

Eine britische Studie errechnete Entwicklungskosten von durchschnittlich136 Mio USD für jede gentechnisch veränderte Pflanze. Diese werden bei kommerziellen Entwicklungen durch den Verkauf von Saatgut und über Abgaben auf Patente abgegolten. Die Frage nach allfälligen Patenten bleibt im Gesuch unerwähnt. Für die «Protected Site» fallen zudem jährliche Betriebskosten von 750’000 CHF an. Diese wurden vom Parlament über eine Sonderfinanzierung bis 2017 gesprochen. Die Versuche mit Winterweizen dauern aber bis 2022 und werden das unter Spardruck stehende Forschungsbudget zusätzlich belasten.