170607srEin knapper Entscheid. Der Ständerat spricht sich gegen Antibiotikamarkergene bei Freisetzungsversuchen aus.

Bei der Änderung des Gentechnikgesetzes bestand zwischen National- und Ständerat noch eine Differenz in Bezug auf den Einsatz von Markergenen. Der Bundesrat wollte bei Freisetzungsversuchen das Verbot der Verwendung von Resistenzgenen gegen in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzte Antibiotika aufheben. Diese Einschränkung verursache Kosten und hemme den internationalen Austausch zwischen Forscherinnen und Forschern, hatte der Bundesrat argumentiert. Der Nationalrat hatte sich sehr deutlich gegen die Empfehlung des Bundesrates gestellt. Es habe sich gezeigt, dass der Forschungsstandort Schweiz bislang problemlos mit dem Verbot habe leben können, hiess es in der Ratsdebatte. Beweis dafür: Momentan werden auf der Protected Site von Agroscope vier Freisetzungsversuche durchgeführt. Bei drei dieser Versuche handelt es sich um internationale Projekte. Diese Versuche zeigen ausserdem, dass es möglich ist, Pflanzen ohne Marker aus Antibiotikaresistenzgenen aus der Human- und Veterinärmedizin zu entwickeln. Bei der Grundlagenforschung im Labor können solche Resistenzgene jedoch verwendet werden. Das Verbot betrifft ausschliesslich die Freisetzungsversuche in der Schweiz.

Alternative Marker, die nicht auf Antibiotika basieren, bestehen und werden in der Schweiz bereits seit längerer Zeit angewendet. Da alternative Methoden heute teurer sind, scheinen sie für den Bundesrat keine Option zu sein. Dies ist erstaunlich. Denn die Kosten können unmöglich ein ausreichender Grund sein, unnötig Sicherheitsrisiken in Kauf zu nehmen.

Dass der Einsatz solcher Antibiotika-Resistenzgene problematisch ist, anerkennt auch die EU. Bei kommerziell genutzten Pflanzen ist ihr Einsatz auch in der Europäischen Union verboten. Seit 2008 dürfen keine gv-Pflanzen mehr zugelassen werden, wenn sie Antiobiotikaresistenz-Marker enthalten, „die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben können.“

Die Schweiz ist bereits einen Schritt weiter und regelt die Anwendung strikter. Das Verbot gilt für alle Anwendungen in der freien Natur, auch bei Freisetzungsversuchen. Eine erneute Zulassung solcher Marker wäre folglich ein Rückschritt gegenüber der geltenden Regelung.

Antibiotikaresistenzen gehören derzeit zu den grössten Herausforderungen im Gesundheitswesen. Bei einer Freisetzung von Pflanzen mit solchen Antibiotikaresistenzgenen besteht die Gefahr, dass diese über einen sogenannten horizontalen Gentransfer an die Umwelt weitergegeben werden. Es ist denkbar, dass beim Verrotten von gv-Pflanzen auf dem Feld deren Markergen von Bodenbakterien aufgenommen und weiterverbreitet wird. Ähnliches könnte beim Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln oder Futter passieren, wenn die Resistenzgene von Bakterien im Darm aufgenommen werden und von dort auf Krankheitserreger übergehen. Medikamente gegen diese Erreger könnten dadurch unwirksam werden.

Ein solcher horizontaler Gentransfer von Pflanzen zu Bakterien konnte im Labor nachgewiesen werden. Der horizontale Gentransfer ist wesentlich für die gegenwärtige rapide Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen bei klinisch relevanten Keimen verantwortlich.

Horizontaler Gentransfer durch transgene Pflanze ist generell möglich, wird aber anhand der heute verfügbaren Information meist als relativ gering eingeschätzt. Doch es bestehen wissenschaftliche Unsicherheiten, da wenig Daten vorhanden sind und das Wissen zu diesem komplexen Thema ungenügend ist. Eine niedrige Häufigkeit eines Ereignisses erlaube zudem in Bezug auf Antibiotikaresistenzen nicht zu folgern, dass es nicht doch zu schwerwiegenden, negativen Langzeiteffekten auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt kommen könne, schreibt AGES - die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Es sei empfehlenswert, dieses Thema weiter zu beforschen beziehungsweise routinemäßig für die Risikobewertung von transgenen Pflanzen in Betracht zu ziehen.

Unerwähnt blieb in den Räten die Tatsache, dass in Europa immer weniger Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchgeführt werden. In unseren Nachbarländern gab es im vergangenen Jahr keinen einzigen Freisetzungsversuch. Die Schweiz hat mit der Protected Site eine Anlage, die einem Hochsicherheitstrakt gleicht. Sie ist teuer und belastet das Budget von Agroscope mit Fr. 750'000 pro Jahr massiv. Dass die Schweiz noch mehr Freisetzungsversuche für internationale Forschungsprojekte mit Gentechnikpflanzen durchführt, kann nicht in unserem Interesse sein.

Mit der Bereinigung dieser letzten Differenz steht der Verlängerung des Gentech-Moratoriums im Rahmen der Änderungen des Gentechnikgesetzes nichts mehr in Wege. Definitiv entscheiden die Räte in der Schlussabstimmung vom 16. Juni.