170407nfp64Der Schlussbericht des Nationalen Forschungsprogramms „Chancen und Risiken von Nanomaterialien“ liegt vor. Bild: nfp64

 Das Nationale Forschungsprogramm „Chancen und Risiken von Nanomaterialien“ (NFP 64) hatte das Ziel, sowohl die Chancen als auch die Risiken synthetischer Nanomaterialien für die menschliche Gesundheit, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen zu identifizieren. Die Forschungsprojekte begannen im Dezember 2010 und die verfügbaren Finanzmittel für das NFP 64 beliefen sich auf 12 Millionen Franken für eine Forschungsdauer von fünf Jahren. Am NFP 64 beteiligten sich Forschungsgruppen aus verschiedenen akademischen Institutionen in der Schweiz. Fast 100 Forschende haben in den sechs Jahren des Programms über 150 Publikationen veröffentlicht.

Das NFP 64 hatte sich Forschungsziele gesetzt, wie:

  • Kenntnisse über künstliche Nanomaterialien, ihre Entwicklung, ihren Einsatz, ihr Verhalten und ihr Risiko wissenschaftlich erforschen
  • Methoden und Werkzeuge entwickeln, mit denen das Verhalten von Nanomaterialien und ihre potentiellen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt überwacht werden können Werkzeuge entwickeln, welche die Vorteile von Nanomaterialien maximieren und die Risiken für Mensch und Umwelt minimieren 
  • die Entwicklung und Anwendung sicherer und effektiver, auf Nanomaterialien basierender Technologien unterstützen 
  • Entscheidungsträgern, inklusive Herstellern, Vertreibern und Konsumenten Informationen zur Ausarbeitung von Bestimmungen und Arbeitspraktiken bereitstellen
  • die in der Schweiz vorhandenen Fachkenntnisse und -kompetenzen bei der Entwicklung innovativer Nanomaterialien und bei der Risikobeurteilung verbessern und vertiefen.

Peter Gehr, emeritierter Professor für Anatomie und Histologie an der Universität Bern, hat das NFP 64 als Präsident der Leitungsgruppe während seiner ganzen Dauer eng begleitet. Im Fazit des Schlussberichts meint Peter Gehr auf die Frage, ob sich sich aus dem NFP 64 Lehren für die Herstellung, den Gebrauch und die Entsorgung von synthetischen Nanopartikeln ziehen lassen: „Wenn es eine allgemein gültige Schlussfolgerung gibt, dann vielleicht diese: Das NFP 64 zeigt, dass jedes neue Nanomaterial und jede neue Anwendung grundsätzlich immer auch eine neue Risikoanalyse erfordert.“

Auf die Frage nach den weiterhin bestehenden Wissenslücken meint er: „Wir wissen sehr viel mehr, aber längst noch nicht alles. Auf der einen Seite haben wir Erkenntnisse über neue Techniken, Apparaturen und Anwendungsmöglichkeiten gewonnen, auf der anderen über Wirkungsmechanismen, also darüber, wie Nanoteilchen mit biologischen Systemen interagieren und was das sowohl physiologisch als auch pathologisch bedeutet. Noch immer aber fehlen uns Langzeitstudien, das heisst Studien, die zeigen, was die Exposition mit Nanopartikeln auf die Dauer im Körper und in der Umwelt bewirkt.“ Sehr wenig wisse man auch darüber, was geschehe, nachdem eine Exposition stattgefunden habe: Ob, die Abwehrreaktion eines biologischen Systems wieder abklingt oder anhält. Gross sei die Wissenslücke zudem in Bezug auf die indirekte Exposition durch Bioakkumulation. Es sei noch zu wenig darüber bekannt, wie Nanoteilchen in Umweltorganismen angereichert und dann der Nahrungsmittelkette entlang weitergegeben werden.

Laut dem „White Paper“, in welchem einzelne Forschungsprojekte des NFP 64 im Überblick präsentiert werden, hat die Forschung im NFP 64 auf eine Reihe offener Punkte hingewiesen:

  1. Die Entwicklung synthetischer Nanomaterialien macht rasche Fortschritte – auch das Wissen über die Materialien wächst noch immer sehr schnell an und ist bei Beendigung des NFP 64 noch nicht vollständig.
  2. Im Unterschied zu anderen Industrienationen hat die Nanotechnologie als strategische Plattform in der Schweiz zu wenig Beachtung.
  3. In der Schweiz gibt es noch keine feste Institution, die die Spitzenforschung zur Beurteilung und Charakterisierung von Nanomaterialien aufrechterhält, fördert und finanziert und die unabhängig von kurzfristigen akademischen Projekten und von der Industrie ist.
  4. Es werden stark qualitätsorientierte Institutionen benötigt, die unabhängig von Publikationsdruck und wirtschaftlichen Interessen zuverlässige, reproduzierbare und überprüfbare Ergebnisse zu bestimmten Materialien liefern und neue Methoden erarbeiten, um Materialinnovationen durch Hochschulen und Industrie zeitnah zu bearbeiten.

Christoph Studer vom Bundesamt für Gesundheit, der das Forschungsprogramm über die Jahre hinweg als Bundesbeobachter begleitet hatte, sagt: "Es hat sich gezeigt, dass die Instrumente der Regulierung und die Testrichtlinien sowohl auf nationaler wie auch auf EU-Ebene laufend angepasst werden müssen.“

Die SAG forderte in der Vergangenheit wiederholt ein Moratorium für Nanomaterialien im Lebensmittelbereich, bei Gebrauchsgegenständen und in der Landwirtschaft. Dieses Moratorium sollte nach Einschätzung der SAG mindestens gelten, bis nanospezifische Regelungen in Kraft sind und Daten zur Risikobewertung vorliegen. Zudem muss für die Konsumentinnen und Konsumenten die Wahlfreiheit zwischen Nano-Produkten und Nano-freien Produkten gewährleistet sein.

Die Schlusskonferenz des NFP 64 findet am 2. Juni 2017 im Forum Fribourg statt.