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Risiken der GV-Organismen: Das aktuelle Prüfsystem der Behörden ist lückenhaft. Bild: Clipdealer

Das EU-Parlament hat in den letzten Jahren rund 40 Resolutionen gegen weitere Importe von gentechnisch veränderten Pflanzen verabschiedet. Dabei wird insbesondere kritisiert, dass die Risikoprüfung durch die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) unzureichend ist. Ähnliche Kritik äußern auch die ExpertInnen verschiedener Mitgliedsländer. Trotzdem genehmigte die EU-Kommission alle Anträge. Das Ergebnis des internationalen Forschungsprojektes RAGES (Risikoabschätzung von gentechnisch veränderten Organismen in der EU und der Schweiz) zeigt jetzt, wie berechtigt die Bedenken des EU-Parlamentes sind.

In der EU ist die EFSA für die Risikobewertung von GV-Organismen verantwortlich. Sie bewertet Anträge auf Import und solche für den Anbau. Hierzulande besteht zwar ein Anbaumoratorium, mehrere Anträge für den Import von GV-Pflanzen wurden aber auf derselben Datenbasis wie in der EU bewilligt. Da die zuständigen Schweizer Behörden sich in ihren Urteilen in der Regel denen der EFSA anschliessen, wird es für sie ausschlaggebend sein, wie in der EU mit den Risiken der Gentechnik umgegangen wird. Das Projekt RAGES befasst sich seit 2016 eingehend mit der Praxis der EFSA und der Schweizer Behörden zur Prüfung von Risiken gentechnisch veränderter (GV) Pflanzen. RAGES konzentriert sich dabei auf die Risiken transgener Pflanzen, die zur Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Darüber hinaus werden auch die Methoden der neuen Gentechnik (Genome Editing) berücksichtigt. Die Kooperationspartner sind ENSSER (European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility), deren Schweizer Partnerorganisation CSS (Critical Scientists Switzerland), GeneWatch UK und Testbiotech. Das Projekt ist vollständig unabhängig von den Interessen der Gentechnik-Industrie.

In der EU und in der Schweiz sind GV-Organismen ein kontroverses Thema, insbesondere wenn diese in die Umwelt freigesetzt oder für die Erzeugung von Nahrungsmitteln verwendet werden. Dabei ist die Abschätzung der Risiken für Mensch und Umwelt von vorrangiger Bedeutung. Jedoch wird die Debatte über die Risiken der Gentechnik derzeit weitgehend von der Gentechnik-Industrie beherrscht. Sie finanziert die meisten Forschungsprojekte an transgenen Pflanzen, liefert die Daten für die Zulassungsprozesse und hat erheblichen Einfluss auf Behörden und Politik. Ihr Ziel ist dabei, den Eindruck zu erwecken, dass die Risiken beherrschbar und die vermarkteten Produkte sicher seien. In der Folge besteht erhebliche Gefahr, dass durch das gegenwärtige Zulassungssystem Risiken und wichtige Forschungsergebnisse übersehen werden. Hier setzt RAGES einen notwendigen Kontrapunkt, mit Schwerpunkt auf dem Schutz von Mensch, Tier und Umwelt.

Derzeit gibt es, auf Grundlage der Bewertungen durch die EFSA, mehr als 70 Zulassungen für GV-Pflanzen. Die meisten dieser Pflanzen sind inzwischen mehrfach gentechnisch verändert. Ein Beispiel ist der Mais „SmartStax“, der von den Firmen Monsanto (Bayer) und DowDuPont (Corteva) entwickelt und vermarktet wird: Er produziert sechs Bt-Insektengifte und ist gegen mehrere Herbizide resistent. Die Lücken im derzeitigen Prüfsystem der EFSA werden hier besonders anschaulich: Für die Zulassung des Gentechnik-Maises wurde kein einziger Fütterungsversuch zur Überprüfung gesundheitlicher Risiken verlangt.

Die Ergebnisse des Projektes wurden am 29. Oktober 2019 bei einem Workshop in Neuchâtel vorgestellt. Sie zeigen, dass die Behörden mit den Risiken keineswegs angemessen umgehen. In vielen Fällen werden die Grenzen des Wissens nicht beachtet und entscheidende Unsicherheiten nicht identifiziert. Geprüft werden längst nicht alle relevanten Risiken, sondern vor allem diejenigen, die sich mit möglichst einfachen Mitteln untersuchen lassen.

Im Ergebnis genügen die derzeitigen Standards nicht den gesetzlichen Anforderungen, nach denen „in geeigneter und ausreichender Weise“ durch eine „höchstmöglichen Anforderungen standhaltende wissenschaftliche Bewertung aller damit verbundenen Risiken“ nachgewiesen werden muss, dass die GV-Organismen und daraus gewonnene Nahrungsmittel als sicher angesehen werden können.

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