210618 Motion AEBI NRBild: Shutterstock

Anfangs Juli 2021 wurde ein umfassender Bericht über die Sicherheit von gentechnisch veränderten Pflanzen veröffentlich. Verfasser des Berichtes sind Wissenschaftler aus ganz Europa, die für nationale Regierungsbehörden arbeiten – mitunter auch ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Umwelt. Der Bericht ist äusserst begrüssenswert, denn er deckt wichtige Mankos zweier Gutachten (1,2) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf. Unter anderen weisen die Autoren darauf hin, dass die beiden Gutachten die Risiken der Genomeditierung oft verkürzt darstellen oder verharmlosen. Dies vermittelt ein falsches Sicherheitsgefühl und tendiert in Richtung einer Deregulierung der neuen gentechnischen Verfahren.

Der wichtigste Mangel bei den EFSA-Gutachten ist die Schlussfolgerung der Lebensmittelsicherheitsbehörde, dass die für die Bewertung der Risiken klassischer GVO entwickelten Grundsätze problemlos und praktisch eins zu eins auf die Produkte der neuen gentechnischen Verfahren angewendet werden können. Fallspezifische Leitlinien wurden keine erarbeitet. Ebenfalls wurde versäumt, auf die Lücken des aktuellen Risikoprüfungs- und Monitoringssysteme einzugehen (z.B. RAGES-Projekt).

Um das Grundprinzip der Europäischen GVO-Gesetzgebung, das Vorsorgeprinzip nicht zu schwächen, sollen Anwendungen der Genomeditierung nicht vom Geltungsbereich des aktuellen Gentechnikgesetzes ausgenommen werden, so der neue Bericht.

Die Autoren fordern ausserdem einstimmig, die EFSA müsse ihre Empfehlungen zur Risikobewertung verbessern. Von entscheidender Bedeutung sei dabei die Klarstellung gewisser Fehlinterpretationen und Verzerrungen, welche zur Behauptung verleiten, dass bei genomeditierten Pflanzen auch eine weniger strenge Regulierung und Risikoprüfung ausreiche.

Die Autoren weisen darauf hin, dass Genomeditierung nicht so präzise ist, wie von den Lobbyisten der Agrarindustrie oft behauptet: zu wenig Wissen sei beispielsweise zu den unerwünschten Nicht-Ziel-Effekten beabsichtigter Veränderungen vorhanden. Die durch Genomeditierung hervorgerufenen Veränderungen liessen sich nicht mit solchen vergleichen, die durch konventionelle Züchtung entstehen. Der Verzicht auf das Einführen von fremden Genen, sowie das „minimale“ Ausmass der Eingriffe biete keine höhere Sicherheit – ganz im Gegenteil: die erhöhte Eingriffstiefe sowie die Schnelligkeit der gentechnischen Veränderungen haben ein erhöhtes Risiko zur Folge.

Angesichts der immer grösser werdenden Zahl der Werkzeuge zur Genomeditierung und des breiten Spektrums der gentechnisch veränderten Arten und Eigenschaften, ist es kaum möglich einen einheitlichen Sicherheitsstandard für alle Anwendungen der neuen Gentechnik aufzustellen. Allgemeine Überlegungen zur biologischen Sicherheit/Risiko aller Anwendungen sind unzureichend, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen, heisst es im Bericht. Stattdessen brauche es eine angemessene Risikobewertung vor der Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen in die Umwelt. Ein fokussierter, fallspezifischer Ansatz könne, wie auch in den EU-Rechtsrahmen aufgenommen, ein gangbarer Weg sein, vorausgesetzt, dass weitere Leitlinien für die Risikobewertung von Anwendungen der Genomeditierung entwickelt werden. Denn die von der EFSA entwickelten bestehenden Leitfaden sowie ihre ersten Überlegungen zur Risikoprüfung von Produkten der neuen gentechnischen Verfahren schützen Gesundheit und Umwelt vor den unbeabsichtigten Auswirkungen dieser Produkte nicht.