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Eier und Legehennen, die von CRISPR-Hühnern abstammen, könnten in der EU unbemerkt, d.h. ohne Zulassungsverfahren und ohne Kennzeichnung auf den Markt gelangen. Dies geht aus einem Schreiben der EU-Kommission hervor, welches Legehennen und Eier, die von solchen CRISPR-Hühnern abstammen, als nicht-GVO einstuft.

Der gentechnische Eingriff soll das ethisch unvertretbare Schreddern/Vergasen unwirtschaftlicher männlicher Küken verhindern, indem jedem männlichen Nachkommen ein tödliches Gen übertragen wird. Die Hühner wurden von israelischen Forschern so verändert, dass männliche Nachkommen bereits im Embryostadium im Ei sterben. Weibliche Nachkommen erben das Gen nicht, deshalb wird davon ausgegangen, dass sie sich normal entwickeln und als Legehennen für die Eierproduktion verwendet werden können.

Das Verfahren und die Tiere wurden bereits zum Patent angemeldet und sollen in Zusammenarbeit mit einer US-Firma vermarktet werden. Laut EntwicklerInnen sei die Technologie sicher, im Erbgut der Legehennen bzw. der Eier seien garantiert keine artfremden Gene mehr zu finden. Für die EU-Kommission scheinbar genügend, um sie von der gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsprüfung und Kennzeichnung auszunehmen. Doch einerseits verstösst damit die Kommission gegen das EU-Recht, andererseits negiert sie biologische Fakten – etwa, dass Nachkommen von CRISPR-Tieren von unbeabsichtigten Veränderungen betroffen sind, die mit spezifischen Risiken einhergehen. Ein solches Umgehen des Gentechnikgesetzes und des Vorsorgeprinzips könnte deshalb schwere Folgen für Konsum, Umwelt und Lebensmittelhandel haben, warnt Testbiotech.

Gentechnik durch die Hintertür?

Hinter dieser lockeren Haltung versteckt sich womöglich das Kalkül, die neue Gentechnik durch die Hintertür zu deregulieren. Der Fall der CRISPR/Cas-Eier ist nämlich kein Einzelfall: Obwohl inzwischen mehrere Publikationen neuartige und spezifische Risiken der CRISPR/Cas-Technologie belegen, bestreitet die EU-Kommission die Notwendigkeit, diese genauer zu untersuchen. Laut den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen in der Schweiz sind die gentechnisch veränderten Hühner – auch die Legehennen – eindeutig Gentechnik und dürfen nicht in Verkehr gebracht werden (GTG, Art.9). Wird das Gentechnikgesetz jedoch in den kommenden Jahren gelockert, könnten sie auch hierzulande auf den Markt gelangen.

Die Strategie, Unterschiede zwischen der herkömmlichen Züchtung, natürlichen Mutationen und der Genomeditierung zu verwischen, ist auch in der laufenden Debatte um die Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren in der Schweiz wahrzunehmen. Dementsprechend werden die letzteren von der Gentechlobby konsequent als eine natürliche Fortsetzung der klassischen Züchtung dargestellt und als „neue Züchtungsverfahren“ propagiert. Analog werden Produkte ohne artfremde Gene als sicher bezeichnet, obwohl der Verzicht auf das Einführen von solchen Genen keine höhere Sicherheit bietet. Denn das Risiko hängt nicht von der Herkunft des eingefügten Erbgutstücks ab, sondern von der verwendeten Technik. Da die neuen Gentechnikverfahren im Vergleich zur klassischen Gentechnik eine erhöhte Eingriffstiefe ermöglichen (z.B. das gleichzeitige Verändern von mehreren Genorten, auch Multiplexing genannt), erhöht sich auch das damit verbundene Risiko.

Im konkreten Fall heisst dies beispielsweise, dass die Legehennen – die direkten Nachkommen nach der Kreuzung der transgenen CRISPR-Hennen mit einem konventionellen Hahn – auch bestimmte unbeabsichtigte Effekte des Eingriffes erben können, die ausserhalb des ursprünglich gentechnisch veränderten Geschlechtschromosoms Z angesiedelt sind. Dies verlangt nach einer strengen Regulierung unter dem Gentechnikgesetz, das eine umfassende und obligatorische Risikoprüfung vorschreibt.

Für tierfreundlichere Alternativen zum Kükenschreddern braucht es übrigens keine Gentechnologie: die Verwendung von Zweinutzungsrassen oder die Geschlechtsbestimmung im Ei bieten tierfreundlichere und sichere Alternativen.