EU-Gentechregelung keine Option für die Schweiz. Bild: Shutterstock
Das EU-Parlament (EP) hat am 7. Februar einer Deregulierung von Pflanzen aus neuer Gentechnik (NGP) mit einer knappen Mehrheit zugestimmt. Setzt sich diese Regelung durch, können über 90 Prozent der sich aktuell in den Entwicklungspipelines befindenden Sorten ohne Risikoprüfung in Umlauf gesetzt werden. Eine positive Entwicklung ist allerdings, dass sich das Parlament auf die Verpflichtung zur Kennzeichnung sämtlicher neuer Gentechniken bis zum Endprodukt geeinigt hat.
Die Kategorisierung der Gentechpflanzen wie im Kommissionsvorschlag enthalten entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage (1,2,3). Die Konsequenzen der Lockerung für das Ökosystem sind nicht vorhersagbar und auch nicht rückholbar – denn neben Kulturpflanzen könnten auch Gentechbäume, -gräser oder -algen in die Umwelt freigesetzt werden. Sollte sich der Vorschlag zur Deregulierung durchsetzen, bedroht dies zudem die gentechfreie Produktion akut. Denn Unternehmen, die neue GVO verkaufen und Landwirt:innen, die sie anbauen, werden bei Schadensfällen von der Haftung befreit. Änderungsanträge zu Koexistenzmassnahmen und zum Recht der Mitgliedstaaten, den Anbau zu verbieten oder zu beschränken (opt-out) fanden keine Mehrheit.
Es sind jedoch einige wenige positive Entwicklungen zu vermerken. Denn entgegen den Erwartungen der Biotechindustrie und trotz intensiver Lobbyarbeit sollen Produkte der neuen Gentechnik entsprechend gekennzeichnet werden. Ebenfalls soll es möglich sein NGP im Zweifelsfall zu verbieten. Zudem votierte das EP für ein Verbot der Patentierung von NGP. Auf dem ersten Blick ein Fortschritt, doch genauer betrachtet leider nur Augenwischerei, da dies von der EU gar nicht bewirkt werden kann.
Noch ist die Debatte in der EU nicht abgeschlossen. Ob es zu einer Einigung mit den EU-Mitgliedsländern kommt, ist noch offen. Derzeit scheint der Ministerrat noch nicht gewillt, der Deregulierung zuzustimmen. Dies zeigte sich ebenfalls am 7. Februar bei einem Treffen der ständigen Vertreter:innen der Mitgliedsländer (COREPER) in Brüssel.
Die Schweiz muss Vorsicht walten lassen und Qualitätslandwirtschaft schützen
Im Juni geht in der Schweiz ein Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung. Diese wird sich grundsätzlich nach der EU-Gentechregelung orientieren. Doch Spielraum ist genügend vorhanden, da kein bilateraler Vertrag im Bereich Gentechnik vorliegt. So will der Bundesrat gemäss seiner Auslegeordnung vom Oktober 2023 den Bedenken der Produzent:innen und der Konsument:innen Rechnung tragen und stärkere Kontrollmechanismen einbauen.
Die Schweizer Allianz Gentechfrei SAG wird den politischen Prozess aktiv begleiten, wenn nötig mit direktdemokratischen Instrumenten (Referendum, Initiative) und fordert, wie bereits in einem gemeinsamen Positionspapier mit 60 weiteren Organisationen:
- Die strenge Regulierung der neuen Gentechniken im bestehenden Gentechnikrecht
- Die Wahlfreiheit von Saatgut bis zum Endprodukt muss für Konsument:innen, Produzent:innen, Züchter:innen und Handel gewährleistet werden. Dazu ist es unabdingbar, die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere aufrechtzuerhalten und Einschränkungen durch Patente zu verhindern.
- Transparenz durch Kennzeichnungspflicht und Rückverfolgbarkeit
- Eine umfassende Risikoprüfung, zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt
- Die Entwicklung von Nachweisverfahren
- Sicherstellen der Koexistenz: Effektive Massnahmen (Koexistenzregelung), um eine Vermischung von GVO- und Nicht-GVO-Produkten sowie die Kontamination von Nicht-GVO-Saatgut zu verhindern. Die Kosten, welche zur Sicherstellung der Koexistenz und möglicher Haftung im Schadensfall entstehen, sind nach dem Verursacherprinzip zu tragen.
- Ausbau und Förderung sozial gerechter, klima- und-biodiversitätsfreundlicher Ernährungssysteme
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