Forschungsanstalt_Agroscope_Reckenholz-Tänikon. Bild: Wikimedia Commons
Das Bundesamt für Umwelt hat die Freisetzung einer mittels neuer Gentechnik veränderten Gerstensorte bewilligt. Gesuchstellerin ist Agroscope. Weltweit befinden sich Pflanzensorten, die mithilfe der neuen Gentechnik verändert wurden, erst im proof-of-concept-Stadium – Langzeitstudien fehlen. Mehr Wissen über neue Gentechnikpflanzen zu sammeln, ist grundsätzlich begrüssenswert, doch der direkte Nutzen dieses Versuchs für eine nachhaltigere Schweizer Landwirtschaft ist äusserst fraglich.
Bei der Sommergerste wurde mit CRISPR/Cas ein Gen ausgeschaltet, das für die Feinabstimmung des pflanzlichen Hormonhaushalts während der Samenentwicklung verantwortlich ist. Beim Reis und beim Raps führt dies zu einer Ertragssteigerung, wie Forschende der Freien Universität Berlin im Rahmen des Projekts «SEEDS» festgestellt hatten. SEEDS wurde gemeinsam mit Bayer CropScience (jetzt BASF) verwirklicht, welche ein Patent auf Pflanzen der Gattung Brassica – zu der auch der im SEEDS-Projekt verwendete Raps gehört – mit funktionell eingeschränkter Expression der Cytokinin-Oxidasen eingereicht hat. Die Gruppe von Forschenden ist auch am nun eingereichten Freisetzungsgesuch auf dem Gelände von Agroscope beteiligt. Folglich sind weitere Patentanmeldungen nach Abschluss der Freisetzungsversuche nicht auszuschliessen.
Modellsorte für die Schweiz irrelevant
Die CRISPR-Gerste basiert auf der Sorte Golden Promise – einer Braugerste. Ein Freisetzungsversuch mit einer transgenen Variante der gleichen Sorte wurde 2019 vom BAFU genehmigt. Braugerste spielt hierzulande eine untergeordnete Rolle, da Gerste hauptsächlich für die Futtermittelproduktion angebaut wird. So befindet sich auf der Liste der empfohlenen Getreidesorten von Swissgranum nur eine Sommergerstensorte – KWS Atrika, die in den Bereichen Ertrag und Mehltauresistenz die höchste Bewertung erhält. Dies im Gegensatz zu Golden Promise, die auch im Ausland praktisch nur zu Forschungszwecken angebaut wird, da sie sehr mehltauanfällig ist. Eine solche Sorte mit höheren Erträgen auszustatten, wird für die Schweiz wohl kaum je von Bedeutung sein. Die Wahl der Modellsorte lässt sich eher damit begründen, dass sie sich gut für die Transformation im Labor eignet.
Mehr Ertrag – kein Beitrag zur Nachhaltigkeit der Schweizer Landwirtschaft
Neue Gentechnik wird von deren Befürwortenden stets als besonders nachhaltig und klimafreundlich propagiert. Doch ein erhöhter Ertrag trägt kaum zu diesen Nachhaltigkeitszielen bei. Auf der Ebene der sozialen Nachhaltigkeit könnte dies den Betrieben zwar mehr Einkommen verschaffen, doch dies fördert gleichzeitig Konzentrationsprozesse, die Kleinbetriebe zur Expansion oder zur Aufgabe zwingen und wird somit Teil einer Kette von Kausalitäten zwischen Gewinnmaximierung und wirtschaftlichen Konzentrationsprozessen.
Hohe Kosten – fragwürdiger Nutzen
Neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung über die Funktion von pflanzlichen Genen sind grundsätzlich zu begrüssen. Angesichts der oben genannten Argumente stellt sich jedoch die Frage, ob die für den Versuch eingesetzten staatlichen Mittel – jährlich werden etwa 750 000 CHF von der öffentlichen Hand für die Protected Site ausgegeben – nicht sinnvoller eingesetzt werden könnten. Etwa für Innovationen, die einen nachhaltigen
Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft erzielen. Von den Ergebnissen des bewilligten Versuches profitieren hauptsächlich das gesuchstellende Forschungsteam und seine Partner aus der Industrie.
Keine Fremdgene – kein Risiko? Ein irreführendes Narrativ
Wie Agroscope auf seiner Website verkündet, enthalten die CRISPR-Gerstenpflanzen keine Fremdgene (Transgene). Transgenfreie Pflanzen werden in der Diskussion um die neue Gentechnik als besonders harmlos dargestellt und die Industrielobby strebt eine Deregulierung für diese Pflanzen an. Eine Lobbybehauptung, die jedoch jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Denn der Verzicht auf das Einführen von artfremden Genen garantiert keine höhere Sicherheit. Die Risiken der Gentechnik hängen nicht von der Herkunft des eingefügten Gens ab, sondern vom gentechnischen Eingriff selbst und von den Auswirkungen, die von der veränder-ten DNA-Sequenz ausgehen kann.