Die Initiative schützt Mensch, Tier und Umwelt. Bild: iStockphotos
Die Regulierung der neuen Gentechnik ist auf politischer Ebene in aller Munde: In der EU steuert die Industrielobby auf eine Deregulierung zu. Hierzulande berät sich der Bundesrat zu einem Gesetzesentwurf. Es wird Zeit, dass auch die breite Bevölkerung über die aktuellen Diskussionen informiert wird und diese mitbestimmt. Der Verein für gentechnikfreie Lebensmittel hat heute den Initiativtext seiner Regulierungs-Initiative veröffentlicht. Die SAG ist tatkräftig dabei: Zusammen mit Bio-Suisse und dem Verein Gen Au Rheinau trägt sie den Verein aktiv mit.
Bei der letzten Verlängerung des Gentech-Moratoriums im Jahre 2021 hat den Bundesrat den Auftrag erhalten, die Regulierung der neuen Gentechnik zu erarbeiten. Mitte Juni 2024 hätte der ein Erlassentwurf in die Vernehmlassung geschickt werden müssen. Doch der Bundesrat hat die Veröffentlichung auf nach den Sommerferien verschoben. Um die Bevölkerung in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, hat der Verein für gentechnikfreie Lebensmittel eine Initiative vorbereitet, die eine strikte Regulierung der Gentechnik verankert – auch für die neuen Gentechnikverfahren.
In der Schweiz kann die gentechnikfreie Landwirtschaft auf eine lange Geschichte zurückblicken. 2005 wurde das Moratorium im Rahmen der Gentechfrei-Initiative von allen Kantonen einstimmig angenommen und somit ein klares Qualitätsmerkmal der Schweizer Landwirtschaft erschaffen. Bis anhin ist der kommerzielle Anbau und die Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft verboten. Davon profitieren Umwelt, Konsumierende und Produktion.
Die Initiative fordert fünf zentrale Elemente eines sicheren Umgangs mit Gentechnik:
Denn bislang haben sich die Versprechen der Industrie in Sachen Gentechnik nicht bewahrheitet. Im Gegenteil! Weltweit – d.h. auch in Ländern mit einer lascheren Regulierung – werden keine Sorten aus neuer Gentechik mit klimarelevanten Eigenschaften angebaut. Der Grund dafür ist nicht die strenge Regulierung, sondern die Grenzen der technischen Machbarkeit. Stattdessen setzt die Industrie auf Sorten und Traits, deren Herstellung einfach ist, da sie nur durch einen oder wenigen Genen bestimmt werden. Etwa auf Herbizidtoleranz und monogene Resistenzen. Doch diese zeigen nur kurzfristig Wirkung. Herbizidresistenzen belasten die Böden durch den erhöhten Verbrauch von Pestiziden und Herbiziden, monogene Resistenzen werden schnell durchbrochen. Es entsteht ein Wettlauf gegen die Natur. Zudem werden die meisten gentechnisch veränderten Soja- und Maissorten für Tierfutter und Bioethanol angebaut. Bevorzugt werden zudem Lifestyle-Produkte für eine kaufkräftige Kundschaft, so etwa die GABA-Tomate, die ein schlafförderndes Mittel enthalten soll – dem Welthunger wirken solche Produkte nicht entgegen.
1.Ein Bewilligungsverfahren mit strenger Risikoprüfung
Die Schweiz muss Vorsorge walten lassen. Die neuen genomischen Techniken sind im proof of concept Stadium. Die Risiken des gentechnischen Eingriffs sind auch prozessgebunden. Deswegen genügt es nicht lediglich das Endprodukt auf Risiken zu prüfen. Es braucht eine umfassende Risikobeurteilung zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt. Die Forschung wird durch diese Regulierung nicht behindert.
2.Durchsetzung einer Kennzeichnungspflicht zum Schutz der Wahlfreiheit
Gentechnisch veränderte Organismen müssen vom Saatgut bis zum Teller gekennzeichnet werden. Das Recht auf Wahlfreiheit und Transparenz von Produzent:innen, Züchter:innen und Konsument:innen muss erhalten bleiben.
3.Klare Regeln für Anwender:innen der Gentechnik
Wer Gentechnik anbauen will, ist dafür verantwortlich, dass die gentechfreie Landwirtschaft nicht zu Schaden kommt. Es braucht effektive Massnahmen, um eine Vermischung von GVO- und Nicht-GVO-Produkten sowie die Kontamination von Nicht-GVO-Saatgut zu verhindern. So ist etwa eine Verunreinigung durch Pollenflug in der kleinräumigen Schweiz durch Isolationsmassnahmen einzugrenzen. Die Kosten zur Sicherstellung der Koexistenz und Haftung im Schadensfall sind nach dem Verursacherprinzip zu tragen.
4. Unabhängigkeit der Bauern und Bäuerinnen stärken
Patente auf gentechnisch veränderte Organismen können sich auf Pflanzen aus der klassichen Züchtung erstrecken, z.B. wenn die patentierten Gensequenzen in diesen vorkommen. Dies erschwert die Arbeit von kleinen bis mittleren Züchter:innen enorm. Denn ihnen fehlen einerseits zunehmend die genetischen Ressourcen, andererseits können sie sich die hohen Lizenzgebühren nicht leisten.
5. Vielfalt statt Gentechnik
Die Initiative fordert den Bund auf, aktiv Alternativen zur Gentechnik zu fördern, sei dies in Forschung oder Züchtung. Was die Landwirtschaft braucht, ist ein Systemwechsel hin zu einer ökologischen, vielfältigen Landwirtschaft. Eine Symptombekämpfung durch Gentechnik hat bisher keinen Erfolg gebracht. Nur durch Ursachenbeseitigung und ganzheitlichen Ansätze kann mehr Resilienz, Nachhaltigkeit und die Versorgungssicherheit erreicht werden. Darunter fällt auch die Förderung der biologischen und gentechnikfreien Züchtung sowie der agrarökologischen Forschung.
Der Initiativtext ist veröffentlicht und die Initiative bereit für die Lancierung. Verschiedene Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Handel, Konsumentenschutz, Gastronomie und Umweltschutz unterstützen die Initiative bereits. Werden wir auch auf Sie zählen können?
Weitere Informationen und den veröffentlichten Initiativtext finden Sie hier.
Artikel im Tagesanzeiger zur Veröffentlichung des Initiativtextes