Fällt die Risikoprüfung weg, sind Risiken für Umwelt, Lebensmittelproduktion und Pflanzenzüchtung vorprogrammiert. (Bild: Shutterstock).
Befürwortende der neuen Gentechnik behaupten, es gebe einen wissenschaftlichen Konsens über die Risiken der Technologie. Diese seien nämlich nicht vorhanden oder zumindest vernachlässigbar. Dem widerspricht eine aktuelle Publikation aus China, die am Beispiel von CRISPR-Reis einmal mehr zeigt, wie der gentechnische Eingriff eine Vielzahl unerwarteter Nebenwirkungen haben kann.
Im Visier der Forschenden standen sogenannte Zinkfingerproteine, die eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Genaktivität spielen. In Pflanzen sind sie für verschiedene Funktionen verantwortlich, unter anderem für Reaktionen auf Umweltstress, für Blühinduktion, Wachstum und Keimfähigkeit.
Der gentechnische Eingriff führte jedoch zu vielen unerwarteten Nebenwirkungen. So wurde die Zielsequenz, die ursprünglich hätte verändert werden sollen, mit anderen DNA-Abschnitten verwechselt. Solche «off target»-Effekte sind beim Einsatz der Genschere häufig. Die Verwechslungen hatten zur Folge, dass die entstandenen Pflanzen erhebliche Schwankungen bei der Vererbung der gentechnisch eingeführten Veränderungen auf die nächsten Generationen aufwiesen – sie waren genetisch instabil.
Auch die Wirkung des gentechnischen Eingriffs war nicht verlässlich: Selbst wenn die gleiche Gensequenz verändert wurde, traten unterschiedliche Effekte auf. Dies ist nicht besonders überraschend. Denn die mit CRISPR/Cas veränderten Gene gehören zu einer Gruppe, die in allen Pflanzenarten vorkommt. Sie kodieren für Proteine (sogenannte Zinkfingerproteine – Transkriptionsfaktoren), die die Aktivität verschiedener zentraler Gene steuern. Folglich kann ein noch so gezielter Eingriff vielfältige und unerwartete Auswirkungen haben. 2022 wurden etwa bei einer Reissorte, deren Zinkfingergene zur Ertragssteigerung verändert worden waren, unerwartete neue genetische Eigenschaften entdeckt, die in den natürlichen Populationen nicht zu finden waren, obwohl Hunderte von Sorten danach durchsucht wurden.
Die unerwünschten Nebeneffekte der neuen Gentechnik sind noch vielfältiger. Bei Säugetierzellen ist schon länger bekannt, dass der Einsatz der Genschere grössere genetische Veränderungen auslösen kann. Dieses Phänomen, bei dem Hunderte genetischen Veränderungen auf einmal auftreten, wird Chromothripsis genannt. Dabei können Abschnitte des Erbguts vertauscht, verdreht, neu kombiniert werden oder auch ganz verloren gehen. Bei Pflanzen bleiben solche Ereignisse weitgehend unerforscht. Erst 2023 wurden solche Effekte nach dem Einsatz von CRISPR erstmals bei Tomaten nachgewiesen. Grund dafür war die fehleranfällige Reparatur mittels nicht-homologer Endverknüpfung nach einem durch CRISPR verursachten Doppelstrangbruch. Diese Art zelleigener Reparatur wird nach dem «Schnitt» mit der Genschere aktiviert, um den für den Organismus schädlichen Doppelstrangbruch zu reparieren. Sie ist nicht steuerbar und fehleranfällig.
Nach Ansicht von Testbiotech zeigen die Publikationen erneut, wie notwendig eine obligatorische und umfassende Risikoprüfung bei NGT-Pflanzen ist, um unerwünschte Auswirkungen auf Mensch und Umwelt möglichst zu vermeiden.
Sowohl in der Schweiz als auch in der EU strebt die Industrielobby eine Deregulierung der neuen Gentechnikverfahren an. Damit würde die Risikoprüfung abgeschafft, was dem in der Bundesverfassung verankerten Vorsorgeprinzip widerspricht. Die Angaben der Herstellerfirmen zur Sicherheit von NGT-Pflanzen könnten nicht mehr unabhängig überprüft werden. Risiken für die Umwelt, die Lebensmittelproduktion und die Pflanzenzüchtung könnten sich so unbemerkt einschleichen und akkumulieren. Mit der Lebensmittelschutz-Initative will die SAG einer Deregulierung und den daraus resultierenden negativen Folgen entgegenwirken.