20092016Synthetische Biologie Supermarkte1
Sortieren von Vanilleschoten auf Madagaskar. Nur noch etwa 1% des heute verwendeten Vanille-Aromas ist echte Vanille.
Bild: en.wikipedia.org. Photo by Jonathan Talbot, World Resources Institute. 2001.

Der Synthetischen Biologie liegt die Idee zugrunde, dass sich Lebewesen kontrolliert und zielgerichtet umbauen bzw. konstruieren lassen. Mit der Synthetischen Biologie werden anders als bei der klassischen Gentechnik nicht einzelne, aus Spenderorganismen isolierte, Gene in einen Empfängerorganismus übertragen, sondern es werden ganze biologische Elemente wie Stoffwechselwege in Mikroorganismen (bspw. Hefe) eingefügt. Zellen, die mit Hilfe von Synthetischer Biologie zu biologischen Fabriken umgewandelt wurden, sollen Produkte liefern, die von der Kosmetik, über Waschmittel bis zu Lebensmittelzusätzen reichen.

Kommerzielle Anwendungen von Produkten der Synthetischen Biologie stehen erst am Anfang. Inzwischen ist es aber Tatsache geworden, dass solche Produkte in den Supermärkten ankommen und es wird ersichtlich, was die Synthetische Biologie im Lebensmittelsektor technisch erreichen kann. Ein Artikel in der renommierten Fachzeitschrift Nature und vom deutschen Forum Bio- und Gentechnologie zeigen, welche möglichen Anwendungen der Synthetischen Biologie kurzfristig im Lebensmittelbereich zu erwarten sind: So etwa Aromen, Süssstoffe, Öle, gesundheitsfördernde Zusätze (wie das Antioxidans Resveratrol) oder vegane Produkte (Eiweiss, Milch).

Der Markt mit dem ersten synthetisch biologischen Produkt hat im Jahre 2014 eingesetzt. Es handelte sich um ein in Hefe hergestelltes Vanille-Aroma. Das mit Synthetischer Biologie hergestellte Vanillin löste viel Kritik aus, was in den USA bereits Wirkung zeigt. So hat ein Hersteller von Speiseeis bereits erklärt, das neue Vanillin nicht in seinen Produkten verwenden zu wollen. Zahlreiche Verbraucher- und Umweltgruppierungen fordern strenge Regulierung, spezielle Vorschriften und Kennzeichnung für Produkte der Synthetischen Biologie. Zudem solle es verboten werden, diese als „natürliche“ Zutaten deklarieren zu können.

Trotz der Kritik herrscht unter Firmen der Synthetischen Biologie Aufbruchsstimmung. Vor allem Aromen, wie solche aus Grapefruit und Zitrusfrüchten, sollen synthetisch biologisch aus manipulierten Hefen gewonnen werden und einerseits in Limonaden und andererseits als Schutz vor Mücken oder Zecken verwendet werden. Auch das Aroma von Safran, dem vermutlich teuersten Gewürz der Welt, soll schon bald von synthetisch biologisch veränderten Hefen hergestellt werden können.

Der grosse Markt-Runner kündigt sich nun an: Es handelt sich um einen Süssstoff, der die anderen Zuckerprodukte konkurrenzieren soll. Heute werden bereits Steviolglycoside (Süssstoff E 960) aus den Blättern des Stevia-Strauches extrahiert und dies ohne Gentechnik oder Synthetische Biologie. Die wichtigsten Anbauländer für Stevia liegen in Südamerika (Brasilien, Paraguay, Kolumbien) und Asien (China). Das anfallende Stevia ist ein aus der Pflanze Stevia rebaudiana (auch Süsskraut genannt) gewonnenes Stoffgemisch, das als Süssstoff verwendet werden kann. Bereits im Jahre 2007 reichte Coca-Cola 24 Patentanmeldungen basierend auf Stevia als Süssstoff ein. Im Jahr 2011 wurden Stevioglycoside (E 960) in der gesamten EU mit der Auflage von Höchstmengen und Einsatzbeschränkungen zugelassen. Auch in der Schweiz ist E 960 zugelassen.

Stevia hat aber einen leicht bitteren Beigeschmack und kann deswegen den Zucker nicht vollständig ersetzen. Mit EverSweet, so der Markenname der Stevia-Variante aus Hefe, könnte sich das ändern. EverSweet wird mit einer synthetisch biologisch manipulierten Hefe produziert, indem ein Stoffwechselweg in die Hefe eingebaut wurde, der die Hefe die zwei süssen pflanzlichen Proteine, nicht aber die bitteren Proteine produzieren lässt. EverSweet soll namentlich Softdrinks süssen, aber kalorienfrei und ohne dickmachende Zucker. Es ist zu erwarten, dass eine neue mit Hefe hergestellte Variante des Stevia-Proteins in der EU als so genannt neuartiges Lebensmittel eingestuft wird und ein eigenes Zulassungsverfahren durchlaufen muss.

Ein Leader bei der Entwicklung der Synthetischen Biologie für kommerzielle Produkte ist das Schweizer Unternehmen Evolva. Evolva hat Hefen so umprogrammiert, dass sie Vanillin, die Hauptsubstanzen von Safran. Das Vanillin aus synthetischer Biologie ist auf dem Markt, Safran soll in wenigen Jahren produktionsreif sein. Evolva produziert zusammen mit dem Grosskonzern Cargill auch die Hauptbestandteile des Süssstoff-Gemischs Stevia. Die US-Gesundheitsbehörde bezeichnete den Süssstoff EverSweet als unbedenklich. Damit dürfte EverSweet demnächst in Lebensmitteln und Getränken verwendet werden.