Genetische Heterogenität für bessere Anpassung Bild: Wikimedia Commons
Pflanzen passen sich im Laufe der Zeit genetisch an die besonderen Bedingungen des ökologischen Landbaus an und werden widerstandsfähiger als konventionell angebautes Saatgut bezüglich Stressfaktoren wie Krankheit, Nährstoffmangel oder Wasser. Dies zeigt eine Langzeitstudie der Universität Bonn. Eine Forschergruppe um Prof. Jens Léon pflanzte auf zwei benachbarten Feldern Gerstenpflanzen an, wobei sie auf dem einen Feld konventionelle und auf dem anderen Feld ökologische Anbaumethoden anwendeten. Im Laufe von mehr als 20 Jahren reicherten sich in der Bio-Gerste ganz spezifische Erbanlagen an – andere als in der Vergleichskultur. Die Ergebnisse demonstrieren unter anderem, wie wichtig es ist, Sorten speziell für die Biolandwirtschaft zu züchten, schreiben die Forschenden. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift „Agronomy for Sustainable Development“ publiziert worden.
Für das Langzeitexperiment wurde zunächst eine Hochleistungsgerste mit einer Wildform gekreuzt, um die genetische Variation zu erhöhen. Die so entstandene Sorte wurde dann auf zwei benachbarten Feldern angebaut. Die Gerste wuchs also auf demselben Boden und unter denselben klimatischen Bedingungen.
Auf dem konventionell bewirtschafteten Feld bekämpften die Forschenden Schädlinge mit Pestiziden, beseitigten Unkräuter mit chemischen Mitteln und sorgten mithilfe von Mineraldünger für eine gute Versorgung mit Nährstoffen. Auf dem anderen Feld gingen sie umweltverträglicher zu Werke: ohne Pestizide, mit mechanischen Methoden zur Unkrautbekämpfung und durch Düngung mit Stallmist. In jedem Herbst behielten sie einen Teil des Korns, um es im nächsten Frühjahr wieder auszusäen – die Bio-Samen auf dem Bio-Acker, die unter konventionellen Bedingungen gewachsenen auf dem Vergleichsfeld, ohne Selektion beim Saatgut auf bestimmte Eigenschaften.
Jährlicher Blick ins Genom
Jahr für Jahr analysierten die Forschenden das Genom der Pflanzen. Bei den genetischen Untersuchungen zeigten sich zwei Trends: In den ersten zwölf Jahren veränderte sich das Erbgut der Gerste auf beiden Feldern in dieselbe Richtung. In den Jahren danach entwickelten sich die beiden Kulturen jedoch zunehmend auseinander. So reicherten sich unter Bio-Bedingungen vor allem Genvarianten an, die für eine geringere Empfindlichkeit gegen Nährstoff- oder Wassermangel sorgen. Einen Grund dafür vermuten die Forschenden in der stärker schwankenden Nährstoffverfügbarkeit im Biolandbau.
Genetische Heterogenität erleichtert die Anpassung
Die konventionell angebaute Gerste wurde mit der Zeit genetisch immer einheitlicher: Die einzelnen Pflanzen auf dem Feld ähnelten sich also hinsichtlich ihres Erbguts immer stärker. Bei der Bio-Gerste blieb die Heterogenität dagegen höher. Den Grund dafür sehen die Forschenden darin, dass die Umweltbedingungen im Biolandbau stärkeren Schwankungen unterliegen als bei konventionellen Anbaumethoden: Wenn etwa in einem Jahr der Befall mit bestimmten Pflanzenkrankheiten zunimmt, sind besonders Eigenschaften gefragt, die die Pflanze dagegen schützen. Die Variabilität ihrer Umwelt zwingt die Pflanzen also quasi zu mehr genetischer Heterogenität.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse, wie sinnvoll die Züchtung von Sorten ist, die für den Biolandbau optimiert sind. Denn sie sind aufgrund ihrer an diese Bedingungen angepassten genetischen Ausstattung robuster und versprechen höhere Erträge. Zudem scheint es sich zu lohnen, bei der Züchtung auch ältere Sorten oder sogar Wildformen einzukreuzen“, erklärt Prof. Léon. „Davon können unseren Daten zufolge selbst konventionelle Hochleistungssorten profitieren.“