200107Nano Kopie
Nanopartikel aus Eisen und Silber unter dem Mikroskop. Bild: L. Driencourt CSEM/M. Schönenberger Nano Imaging Lab (SNI/Uni Basel)

Empa-Forscher ermitteln derzeit die Risiken einer relativ neuen Stoffklasse aus winzigen Materialien: Medikamente aus Nanomaterialien. Die winzigen Nanopartikel, die als Träger für Medikamente erforscht werden, könnten in Zukunft ihren Weg in Gewässer, Erdreich und die Luft finden. Bekannt ist bereits, dass manche herkömmlichen Pharmaka, nachdem sie eingenommen oder auf die Haut aufgetragen wurden, in die Umwelt gelangen. In der Tierwelt können beispielsweise Hormon-ähnliche Stoffe zu dünnschaligen Vogeleiern, Fruchtbarkeitsstörungen bei Fischen und Populationseinbrüchen bei Ottern führen.

Die Nanomedizin verspricht sich Erfolge mit neuartigen Medikamenten. Mit Nano-Diamanten versuchen die Mediziner die Blut-Hirnschranke zu überwinden und mit Gold-Nanopartikeln Krebs zu bekämpfen. Zu den Umweltrisiken dieser Art von Nanomaterialien ist jedoch noch wenig Wissen vorhanden. Empa-Forscher berechnen derzeit die Risiken dieser Nano-Medikamente. Ein interdisziplinär angelegtes Projekt, das vom Forschungs- und Innovationförderprogramm der EU im Rahmen von «Horizon2020 unterstützt wird, erarbeitet das Risikomanagement von Nanobiomaterialien für Mensch und Umwelt.

Dabei muss zunächst das Schicksal des Medikaments im Körper und sein Weg bis in die Kläranlagen und von dort aus ins Wasser und damit in die Biosphäre ermittelt werden. In die Umwelt entlassen, verändern sich beispielsweise Polymere, indem sie durch biologische oder physikalisch-chemische Zersetzung zu kleineren Bausteinen zerlegt werden. Neben pharmakologischen Studien nutzen die Forscher hierzu die Analyse von Materialflüssen und mathematische Umweltmodelle. «Für die meisten Nanobiomaterialien sind bisher keine verlässlichen Schätzungen über die Menge der freigesetzten Partikel vorhanden», sagt Professor Bernt Nowack, der das Projekt leitet. Diese Wissenslücken seien unbedingt zu schliessen.

Nowack und sein Team haben bereits das Risiko von Nano-Goldpartikeln in der Umwelt analysiert. «Derzeit kann man davon ausgehen, dass Nano-Gold in medizinischen Anwendungen keine Probleme verursacht», so der Forscher. In der neuen Studie analysierte Nowacks Team nun weitere Nanomaterialien, die in der Medizin häufig eingesetzt werden: Darunter war beispielsweise Nano-Chitosan, ein Abkömmling eines natürlich vorkommenden Vielfachzuckers, der im Panzer von Krustentieren enthalten ist und die Wundheilung unterstützt. Bei den Analysen stellte sich heraus, dass Chitosan in seiner herkömmlichen Form, sobald es ins Süsswasser gelangt, stärker giftig auf Wasser-Mikroorganismen wirkt als in seiner Nanoform. Nano-Chitosan ist demnach sogar weniger gefährlich für aquatische Lebewesen. Anders sieht es allerdings für Nano-Silber aus, das in der Medizin für seinen antibakteriellen Effekt geschätzt wird. Was bei der Behandlung von Krankheiten erwünscht ist, ist in der Umwelt problematisch: In der Biosphäre wirkt das anorganische Nanomaterial ebenfalls giftig auf Mikroorganismen, die wichtig für die Balance in einem Ökosystem sein können.

«Es ist davon auszugehen, dass sich die biologischen, chemischen und physikalischen Eigenheiten vieler Nanomaterialien möglicherweise deutlich von den Eigenschaften anderer Medikamente unterscheiden», sagt Nowack. Grund sei unter anderem die ausserordentlich hohe Anzahl der Substanzpartikel sowie deren in der Summe vielfach grössere Oberfläche. Wichtig sei, dass es derzeit zwar gelingen würde, die Umweltgefährdung durch bestimmte Substanzen zu bewerten. Für komplette Risikoanalysen müsste aber erst ermittelt werden, wie stark Flora und Fauna – und letztlich der Mensch – mit den Nanomaterialien in Kontakt kämen. Diese Expositionsdaten der verhältnismässig jungen Stoffklasse der Nanomedikamente erarbeitet das Team derzeit innerhalb des «BIORIMA»-Projekts. Daraus habe man Richtlinien für KMU abgeleitet, mit denen sich risikobehaftete Nanobiomaterialien frühzeitig im kostspieligen Entwicklungsprozess aussortieren lassen, erklärt Empa-Forscherin Claudia Som.