Die neuen Forschungsergebnisse betreffen auch die Unterschiede zwischen neuer Gentechnik, klassischer Mutagenese und herkömmlicher Züchtung (Bild: Shutterstock).
Mutationen im Erbgut der Pflanzen treten nicht rein zufällig auf. Zudem hängt ihre Häufigkeit in Populationen nicht nur von der natürlichen Selektion ab. Dies zeigt eine neue Publikation in der Fachzeitschrift Nature. Die neuen Erkenntnisse lassen nicht nur unser bisheriges Verständnis der Evolutionsbiologie neu interpretieren, sondern bestätigt den Zweifel an der Sicherheit der Eingriffe ins Genom mittels neuer gentechnischer Verfahren.
Seit der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Evolutionstheorie von der Vorstellung beherrscht, dass Mutationen im Genom zufällig und überall etwa mit der gleichen Häufigkeit auftreten und somit eine richtungslose Kraft in der Evolution sind. Die treibende Kraft der Evolution stelle laut dieser ursprünglichen Theorie allein die Selektion dar. Denn diese bestimme, welche genetische Veranlagungen sich im Laufe der Zeit behaupten können.
Doch laut der neuen Studie sind Regionen im Erbgut, die für das Überleben der Organismus unverzichtbar sind, vor Mutationen besonders geschützt. Dies liegt daran, dass an solchen Stellen die zelleigenen Reparaturmechanismen besonders aktiv sind. Auch der Ort, an dem sich die Gene im Erbgut befinden, sowie die Struktur der Chromosomen haben einen Einfluss auf die Häufigkeit von Mutationen.
Diese Erkenntnisse lassen unser Verständnis der evolutionsbiologischen Mechanismen umdenken. Die Selektion ist demnach nicht die einzige treibende Kraft der Evolution, auch die beschriebenen Reparaturmechanismen steuern das Entstehen von neuen Eigenschaften mit.
Für die aktuelle Diskussion um die Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren sind diese Ergebnisse wegweisend, denn die neue Gentechnik kann auch Genorte verändern, welche sonst durch natürliche Reparaturprozesse besonders gut geschützt sind. Mit der Genschere CRISPR/Cas werden aber genau diese Schutzmechanismen daran verhindert, das Erbgut wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Ein Eingriff ist mit diesen Werkzeugen bei allen Genen möglich, unabhängig davon, wo sie sich im Erbgut befinden. Viele Gene besitzen „Sicherheitskopien“ im Genom – die Genschere blockiert die Reparaturmechanismen aber auch bei all diesen Kopien.
Die neuen Gentechnikverfahren verursachen also auch ohne Einführung artfremder Gene tiefgreifende genetische Veränderungen. Diese könnten schwerwiegende Folgen haben, da die Möglichkeit besteht, dass auch besonders geschützte Stellen mit für den Organismus überlebenswichtigen Funktionen verändert werden. Solche künstlich beigefügten Mutationen unterscheiden sich also grundsätzlich von natürlichen Mutationen. Somit können auch die Pflanzen, die mit solchen Verfahren entstehen, in ihren biologischen Eigenschaften deutlich von denjenigen unterscheiden, die aus konventioneller Züchtung (inkl. Mutagenese) stammen. Auch im Vergleich zur klassischen Mutagenese bergen sie neue potenzielle Risiken, welche eingehend geprüft werden müssen. Dies ist nur im Rahmen des Gentechnikgesetzes möglich.