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Eine grosse Koalition von 162 europäischen Organisationen der Zivilgesellschaft, Landwirten und Wirtschaft fordert Ende März 2021 EU-Kommissionsvizepräsident Timmermans auf, dafür zu sorgen, dass alle Organismen, die aus neuen gentechnischen Verfahren stammen, weiterhin in Übereinstimmung mit den bestehenden EU-GVO-Standards reguliert werden - unter Wahrung des Vorsorgeprinzips, eines hohen Schutzniveaus und des Rechts der Bäuerinnen und Bauern und der Konsumierenden zu wählen, was sie anbauen und essen. Die Kommission wird voraussichtlich Ende April ihre Einschätzungen zur zukünftigen Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren (Genomeditierung) vorlegen.

Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2018, welches festhält, dass Organismen, die mit neuen gentechnischen Verfahren gewonnen wurden, gemäss den bestehenden GVO-Gesetzen der EU reguliert werden müssen, gibt es eine intensive Lobbyarbeit der Agrobiotech-Industrie, die Gesetzgebung zu schwächen. "Es gibt keine wissenschaftlichen oder rechtlichen Gründe, neue Gentechnikverfahren von der Risikobewertung, der Rückverfolgbarkeit und der Kennzeichnung auszunehmen. Der Einsatz von Gentechniken bei Pflanzen und Tieren und ihre Freisetzung in die Umwelt und die Nahrungskette kann weitreichende Auswirkungen haben und muss reguliert bleiben", sagte Eric Gall, stellvertretender Direktor von IFOAM, der europäischen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen. Eine Schwächung der Regulierung dieser mächtigen Technologien würde den Zielen des Green Deal der EU, der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie widersprechen. Die Unterzeichnenden fordern zudem ein weltweites Moratorium für die Freisetzung von gentechnisch Gene-Drive-Organismen.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass neue Verfahren der genetischen Modifikation (wie bsw. CRISPR/Cas) den Entwicklern erlauben, bei Pflanzen und Tieren signifikante genetische Veränderungen vorzunehmen, die sich stark von denen unterscheiden, die in der Natur vorkommen. Dies könnte eine Reihe von unerwünschten genetischen Veränderungen verursachen. So könnte durch den Eingriff ins Genom die Produktion von neuartigen Toxinen oder Allergenen ausgelöst werden oder es könnte zur Übertragung von Antibiotikaresistenzgenen oder zur Entwicklung von Eigenschaften führen, die hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit, der Umwelt oder des Tierschutzes bedenklich wären, schreibt die Koalition in ihrem offenen Brief an die EU Kommission.

Ein Ausschluss der neuen gentechnischen Verfahren von der EU-GVO-Richtlinie "würde das von der Richtlinie verfolgte Schutzziel gefährden und das Vorsorgeprinzip, das sie umzusetzen versucht, nicht respektieren", so der europäische Gerichtshof EuGH (Absatz 53 des Urteils).

Auch in der Schweiz sind anlässlich der Vernehmlassung zur Moratoriumsverlängerung ähnliche Lobbyingbestrebungen, die auf eine Abschwächung des Gentechnikgesetzes abzielen, zu beobachten.